Hypostase

Aus AnthroWiki
Version vom 27. April 2017, 16:37 Uhr von imported>Odyssee
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Hypostase (griech. ὑπόστασις hypóstasis, allgemein: „Grundlage“, philosophisch: „Seinsstufe“) ist ein Begriff, der seit der Spätantike in philosophischen Texten verwendet wird, zunächst für den konkreten Bestand einer Sache, für seine Bestandheit, im Gegensatz zur allgemeinen abstrakten Seiendheit (ousia). In der christlichen Trinitätslehre wird er in diesem Sinn benutzt, um die drei göttlichen Personen (Vater, Sohn und Heiliger Geist) unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Besonderheit zu bezeichnen, im Gegensatz zu dem ihnen gemeinsamen Wesen (ousía) („ein Wesen – drei Hypostasen“), der nicht in Erscheinung tretenden zugrundeliegenden Substanz. Bei Immanuel Kant erhält der Begriff Hypostase einen neuen Sinn, da er davon ausgeht, dass Hypostasen im antiken Sinn nicht existieren. Er versteht unter Hypostase etwas, was bloß in Gedanken existiert, dem man aber dieselbe Qualität zuschreibt, die einem wirklichen Gegenstand zukommt.

Ursprung und allgemeine Bedeutungen

Das Substantiv hypóstasis ist vom Verb hyphístēmi (auch: hypístēmi) abgeleitet, welches intransitiv „darunter stehen“ und allgemeiner „vorhanden sein“ oder „bestehen“, transitiv „darunter stellen/legen“ oder „stützen“ bedeutet. Als medizinischer und naturwissenschaftlicher Begriff kommt Hypostasis seit Hippokrates und Aristoteles vor; die Hauptbedeutungen sind „Unterlage“ und „Stütze“ sowie „das, was sich unten ansammelt“: ein Bodensatz, ein Niederschlag oder beispielsweise auch vom Baum herunterrinnendes Harz. Im Zeitalter des Hellenismus wurden dann daraus abgeleitete abstrakte Bedeutungen wie „Grundlage“ und „Gesamtplan“ oder auch „Grundkonzeption“ gebräuchlich.

Der philosophische Sprachgebrauch ist wohl vom Bild des Bodensatzes abgeleitet. Der Bodensatz ist das, was zunächst in der Flüssigkeit verborgen war, dann aber abgesunken ist und sich dadurch angesammelt und verdichtet hat; so ist es sichtbar geworden und bleibt danach bestehen, auch wenn die Flüssigkeit verdunstet. Hypostasis bedeutet hier „dauerhafter Bestand“, „Bestandheit“ oder „Wirklichkeit“, eine nicht nur scheinbare oder eingebildete Existenz. In diesem Sinne kommt das Wort ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. vor. Es war aber zunächst kein streng definierter, auf eine bestimmte Bedeutung eingeengter Fachbegriff. Versuche der älteren Forschung, einen spezifischen Sprachgebrauch der Stoiker oder der Peripatetiker nachzuweisen, sind gescheitert.[1]

Erst später wurde Hypostasis manchmal auch als Synonym von Substanz verwendet. Es besteht aber doch, wie manche Textstellen zeigen, ein Bedeutungsunterschied. Substanz (griechisch Ousia) ist der allgemeinere, abstraktere Begriff. Hypostasis bezeichnet die in Erscheinung tretende Verwirklichung des mit Ousia gemeinten abstrakten Seins (wörtlich der „Seiendheit“), das konkrete Vorhandensein in der Realität. So schreibt der Aristoteles-Kommentator Alexander von Aphrodisias, dass Stoff und Form sich nach ihrem Sein (kat’ ousían) unterscheiden, in ihrem Bestand (hypostásei) und Vorkommen aber untrennbar sind.[2]

Philosophischer Fachbegriff

Neben seinen bisherigen allgemeinen, dehnbaren Bedeutungen erhielt der Begriff Hypostasis in der griechischen Philosophie der römischen Kaiserzeit aber auch eine konkrete Bedeutung als Fachbegriff, vor allem im Neuplatonismus. In dieser Verwendung bezeichnet er eine eigenständige Existenzform, die von anderen Existenzformen abgegrenzt werden soll. Damit ist nicht die Existenz von Einzeldingen gemeint, die von anderen Einzeldingen derselben Art unterschieden werden, sondern eine besondere Art des Bestehens, der Realität. So betrachtete der Skeptiker Sextus Empiricus Begriffe wie „weiß“ und „süß“ als Hypostasen, nicht aber Steigerungsformen wie „weißer“ oder „süßer“. Er erörterte auch die Frage, ob der Linie, dem Ganzen oder der Zahl eine eigene Realität zuzuschreiben ist und sie somit als Hypostasen zu betrachten sind.

Bisweilen schrieben Philosophen, etwas sei eine bzw. keine Hypostase, wenn sie meinten, dass es eine bzw. keine Hypostase aufweise. Im Neuplatonismus und später im Christentum bürgerte sich dieser Sprachgebrauch ein.

Der Begründer der neuplatonischen Tradition, Plotin, verwendet den Begriff Hypostase häufig, aber noch nicht im Sinne eines besonderen Fachterminus. Er spricht von drei „Naturen“ (phýseis) im hierarchisch aufgebauten Bereich des Geistigen: dem Einen, dem Nous und der Seele. Das Eine nennt er auch „erste Hypostase“. Die Materie betrachtet Plotin als nicht im eigentlichen Sinne existierend und damit nicht als Hypostase.

Als Fachbegriff speziell für „Naturen“ im Sinne von Seinsformen oder Seinsstufen ist Hypostase erst bei Plotins Schüler Porphyrios geläufig. Dieser bezeichnet den Nous, die Seele und den Weltkörper als ganze und vollkommene Hypostasen unterhalb des Einen; in anderem Zusammenhang wird deutlich, dass er auch das Eine selbst als vollkommene Hypostase betrachtet. Neben diesen vollkommenen Hypostasen in der rein geistigen Welt nimmt er unvollkommene Hypostasen an, die sich in Raum und Zeit manifestieren. Die jeweils untergeordnete Seinsstufe erscheint in diesem neuplatonischen Stufenmodell als Ausfluss der nächsthöheren; sie geht aus der höheren hervor, ohne dass diese dadurch verändert oder gemindert wird. In anderem Zusammenhang nennt Porphyrios, Platon auslegend, das Gute, den Demiurgen (Weltschöpfer) und die Weltseele die drei Hypostasen des Göttlichen.

Anscheinend ist Porphyrios auch der Urheber der philosophischen Verwendung des Gegenbegriffs parhypóstasis. Dieser diente zur Bezeichnung der scheinbaren Existenz von etwas, was nicht wirklich vorhanden ist, sondern nur einen Mangel an etwas Wirklichem darstellt. Eine solche unreale Existenzweise schrieben die antiken Neuplatoniker, besonders Proklos, dem Bösen zu, das sie als bloßen Mangel auffassten.

Christliche Theologie

Die antiken Christen fassten den Begriff Hypostase anfänglich im damals gängigen philosophischen Sinn auf; so wird er im Neuen Testament verwendet. In der Spätantike erfuhr der Begriff jedoch in der Diskussion um die Trinität eine Umdeutung. Als Hypostasen bezeichnete man nun die Personen der Trinität (Vater, Sohn und Heiliger Geist), während deren Einheit Ousia (Wesen) genannt wurde. Die Formel von dem einen Wesen Gottes in drei Hypostasen (Personen) wurde zum Bestandteil des christlichen Dogmas. Ein fundamentaler Unterschied zur nichtchristlichen philosophischen Bedeutung von Hypostase besteht darin, dass in der christlichen Lehre die Hypostasen nicht hierarchisch gestuft, sondern wesensgleich sind: Sie besitzen dieselbe Substanz und sind nur ihrer Relation nach verschieden.

Ab dem letzten Viertel des 4. Jahrhunderts wurde in der Christologie der Begriff Hypostase, der anfänglich ein Synonym von Natur (phýsis) gewesen war, zunehmend im Sinne der neuen Terminologie umgeprägt. Nachdem sich die neue Bedeutung im 5. Jahrhundert durchgesetzt hatte, unterschied man zwischen der einen Hypostase (Person) Christus und seinen beiden Naturen (der menschlichen und der göttlichen). Letztere sind dem Dogma zufolge in der „hypostatischen Union“ in Christus vereint.

Kant

Bei Immanuel Kant erhält der Begriff Hypostase einen neuen Sinn, da er davon ausgeht, dass Hypostasen im antiken Sinn nicht existieren, sondern ein „bloße(s) Blendwerk“ sind. Er versteht unter Hypostase etwas, was bloß in Gedanken existiert, dem man aber dieselbe Qualität zuschreibt, die einem wirklichen Gegenstand außerhalb des denkenden Subjekts zukommt. Aus dieser Wortbedeutung leitet Kant das Verb hypostasieren (einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben) ab.[3]

Religionswissenschaft

In der Religionswissenschaft bezeichnet man die Konkretisierung unterschiedlicher Wirkungsweisen einer Gottheit als Hypostase.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Wiktionary: Hypostase – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen

  1. Jürgen Hammerstaedt: Hypostasis. In: Reallexikon für Antike und Christentum, Band 16, Stuttgart 1994, Sp. 986−1035, hier: 990f.
  2. Alexander von Aphrodisias, Kommentar zu den [[Wikipedia:Analytica priora|]] des Aristoteles 4,10f. und 4,13.
  3. Einschlägige Äußerungen Kants stehen in der Kritik der reinen Vernunft A 386, A 392, A 395, A 402 u.a.