Humor

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Humor (von lat. [h]umor = "Feuchtigkeit, Saft") im weitesten Sinn ist die dem Menschen vorbehaltene Fähigkeit zu lachen oder Lachen zu erregen, vielleicht sogar in eigentlich tragischen Situationen gemäß dem bekannten Sprichwort: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht"[1]. Nach antiker Auffassung beruht der Humor, der den Menschen in eine heitere Stimmung versetzt, auf der richtigen Mischung der mit den vier Temperamenten zusammenhängenden Körpersäfte.

Humor ist von Witz zu unterscheiden. Humor des Menschen bedeutet sein Vermögen und gelebte Wahrheit, über sich oder eine Situation hinaus zu sein, und dies in der seelischen Regung zu zeigen, ein Lachen bedarf es dafür nicht. Gerade das Lachen zeigt nach solcher Auffassung ein nicht "Drüberhinaussein", im alltäglichen, sondern ist eruptiv, quasi wie ein epileptischer Anfall, das Gegenteil von Humor. Ein Mensch, der viel lacht, kann recht wenig Humor haben, das ist sogar oft der Fall, und Humor ist eine Seelenqualität, die mit Lachen oder nicht, nur wenig gemein hat, außer die Erhebung über das Gegebene oder vermeintlich Gegebene.

Humor und Verdauung

Aus anthroposophischer Sicht gibt es eine Beziehung zwischen dem Humor des Menschen und seinem Verdauungsvorgang. Die Trauer behindert diesen, der Humor hingegen begünstigt ihn.

„Ich möchte dabei auf ein Beispiel hinweisen, das uns neulich - in der 8. Klasse war es - beim Erklären vom Komischen und Tragischen aufgefallen ist. Da handelte es sich darum, das Komische, das Humoristische und das Tragische zu besprechen. Nun, man kann sehr schöne Definitionen finden über dasjenige, was komisch, was humoristisch, was tragisch, was schön ist und so weiter. Und in unseren gebräuchlichen Ästhetiken stehen ja so wunderschöne Dinge, aber sie bewegen sich alle mehr oder minder in Abstraktionen, und man bekommt nicht eigentlich ein lebendiges Vorstellen, wenn man diese Dinge in solch abstrakter Form bespricht. Dagegen ist es in Wirklichkeit so, daß wenn wir tragisch, traurig empfinden, so affiziert das sehr stark unseren Stoffwechsel, es verlangsamt nämlich unseren Stoffwechsel. Alles traurige Empfinden verlangsamt unseren Stoffwechsel. Es ist tatsächlich mit Bezug auf das Leibliche des Menschen eine Ähnlichkeit vorhanden zwischen dem, was uns im Magen liegen bleibt, was wir nicht recht verdauen können, was vom Magen nicht recht durch die Gedärme gehen will, und demjenigen, was uns traurig macht. Wenn wir ein ausgesprochen trauriges Erlebnis haben, so wirken wir verhärtend in ganz buchstäblichem Sinne auf unseren Stoffwechsel zurück. Wenn das auch leise Vorgänge sind, es ist so. Tatsächlich, wenn Sie so recht innerlich traurig werden, so wirken Sie eigentlich Ihrer Verdauung entgegen. Es ist dasselbe, als wenn Ihnen die Nahrung wie ein Stein im Magen liegen bleibt. Das ist nur ein derbmaterieller Vorgang, der aber durchaus damit qualitativ zu vergleichen ist. Denn wenn die Verdauung richtig vor sich geht, dann geht der Speisebrei durch den Magen in die Gedärme, wird in den Darmzotten aufgenommen und geht über in das Blut, und für den oberen Menschen durchbricht er überall die Mittelwand, durchbricht das Zwerchfell; er geht über das Zwerchfell hinauf. Wir können sagen: Ein gesunder Lebensvorgang hängt wirklich davon ab, daß wir das Verdaute über das Zwerchfell hinauf bringen, daß wir es verteilen in den oberen Menschen. - Das ist dann leiblich-körperlich aufgefaßt ein Vorgang, der qualitativ ganz ähnlich ist demjenigen, wenn wir lachen, wenn wir künstlich das Zwerchfell in jene Schwingungen bringen, in die man es durch das Lachen bringt. Das Lachen ist tatsächlich ein Vorgang, der uns organisch gesund macht, es wirkt wie eine richtige gesunde ungestörte Verdauung.

Nun, da kommen wir dazu, das Humoristische, das Heitere mit dem Verdauungsprozeß in eine Beziehung zu bringen; wir lernen griechisch denken, wir lernen begreifen, warum die Griechen von Hypochondrie, von Unterleibsknöchrigkeit gesprochen haben. Es ist das tatsächlich etwas, was dem Anschauen das absolut Richtige gibt. Und es ist dieses nach dem oberen Menschen Hinleben, das Zwerchfell-in-Bewegungbringen, wie es durch eine gesunde Verdauung angeregt wird und sich dadurch nach der Außenwelt entladet, das ist tatsächlich dasjenige, was die humoristische Stimmung an das Leibliche des Menschen anknüpft. Wir entwickeln dadurch, daß wir nicht abstrakt erklären: Humor ist dasjenige, was den Menschen veranlaßt, sich über eine Sache zu stellen -, wir erreichen dadurch einen Zusammenfluß des Abstrakten mit dem Konkreten. Wir stellen eine Einheit her. Wir leiten das Kind an, zu gleicher Zeit das Geistig-Seelische und das Körperlich-Leibliche vorzustellen, miteinander vorzustellen. Wir drängen diese absolut schädliche moderne Vorstellung wiederum zurück, daß man fortwährend dem Menschen Seelisch-Geistiges ohne Bezug zum Leiblich-Körperlichen beibringt und dann wiederum auch - was natürlich nur der Gegenpol davon ist -, daß, wenn man über Physisch-Körperliches spricht, man vom Derb-materiellen spricht. Das eine oder das andere ist eigentlich nicht vorhanden, sondern das Richtige ist dieses Zusammenfließen von beiden. Und wir müssen in die Lage kommen, damit wir totale Vorstellungen hervorbringen, den Humor und die Tragik nicht nur durch abstrakte Begriffe aneinanderzuketten, sondern durch das Zwerchfell. Und auf diese Weise züchten wir nicht etwa, wie man leicht glauben könnte, einen Materialismus. Oh nein! Gerade dadurch, daß wir zeigen, wie das Geistig-Seelische sich im Leiblichen auslebt, gerade dadurch bringen wir die Menschen dahin, daß sie sich vorstellen: die ganze materielle Welt lebt eigentlich aus dem Geistig-Seelischen. Wenn man sich vorstellen kann, wie ein Mensch, wenn er lacht, im Geistig-Seelischen sich bewußt ist, aber das etwas mit seinem Zwerchfell zu tun hat, dann kommen wir schon auch auf die Vorstellung, wie Geistig-Seelisches wirkt, wenn es regnet, blitzt oder donnert. Auf eine gesunde Weise kommt man dahin. Dazu werden wir geführt, wenn wir alles an den Menschen heranbringen.“ (Lit.:GA 302, S. 20f)

Humor und Schauspielkunst

In den Kursen zur Sprachgestaltung, die Rudolf Steiner gemeinsam mit seiner Gattin Marie Steiner gehalten hat, wies er er nachdrücklich auf die Bedeutung des Humors für die Schauspielkunst hin, und zwar nicht nur für die Komödie im engeren Sinn, sondern als Grundstimmung des Künstlers, die auch, selbst bei aller Ernsthaftigkeit des Themas, seine seelische Beweglichkeit fördert.

„Und das ist es, meine lieben Freunde, was zur Kunst, insofern der Mensch diese Kunst ausüben soll, überhaupt gehört, und was man wissen muß, daß es dazu gehört: Temperament. Meinetwillen kann einer mystische Bücher temperamentlos schreiben. Wenn sie jemand gefallen, nun ja, gut; man sieht ja den nicht, der da schreibt. Aber an denjenigen Künsten, wo der Mensch sich selber herausstellt, gehört zur Kunst Temperament, und das gesteigerte Temperament, der Humor. Da können dann die Dinge beginnen, esoterisch zu werden.“ (Lit.:GA 282, S. 221f)

Humor und Tragik

„Denn, was ist Tragik, was ist Sentimentalität, was ist eine schwere Seelenstimmung? Das ist ganz dasselbe wie ein Einatmen beim Organismus, wie ein Sich-Erfüllen des Organismus mit der Luft. Tragik bedeutet: wir versuchen unseren physischen Leib zusammenzuziehen und immer mehr zusammenzuziehen, so daß wir im Zusammenziehen des physischen Körpers gewahr werden, wie unser astralischer Leib immer mehr und mehr aus dem physischen Leibe herauskommt durch das Zusammendrücken des physischen Leibes. Humorvolle Stimmung bedeutet, daß wir den physischen Körper lähmen, aber umgekehrt jetzt den astralischen Leib möglichst ausdehnen, über die Umgebung ausdehnen, so daß wir gewahr werden, wenn wir zum Beispiel irgendeine Röte nicht bloß anschauen, sondern wenn wir in sie hineinwachsen, wie wir unser Astralisches über die Röte ausdehnen, in sie hineingehen. Das Lachen ist ja nichts anderes, als daß wir den astralischen Leib des Gesichtes aus unserer Physiognomie heraustreiben. Lachen ist nichts anderes als ein astralisches Ausatmen.“ (Lit.:GA 302a, S. 23f)

„Der Humor, der wenigstens in einem dieser Aspekte den Menschen zum Lachen oder Lächeln bringt - womit rechnet er denn eigentlich? Der Humor rechnet damit, daß der Mensch in einer gewissen Weise in dem Augenblicke, wo er zum Lächeln kommt, oder wo er auch nur wegen des humoristischen Eindruckes in der Seele lächelt, daß der Mensch da von sich loskommt. Versuchen Sie einmal, die Sache denkerisch und empfindend auszuschöpfen; Sie werden finden, daß, indem wir übergehen zu dem Humoristischen, zu dem humorvollen Erleben, wir in einer gewissen Weise von uns loskommen, wir gewissermaßen antreten den Weg ins Träumen hinein. Wir gehen ihn nicht ganz. Wir verlassen ihn sehr bald. Wir bleiben voll bewußt, aber es ist der Anfang des Weges ins Träumen hinein, wenn wir uns in der Richtung des Humors bewegen. Und dieses Sichverlieren, das drückt sich aus - zunächst kann ja der Mensch dasjenige, was er an sich selbst leiblichgeistig erlebt, nur durch die paar Bewegungen in der Physiognomie seines Gesichtes ausdrücken -, das drückt sich aus durch das Lächeln. Im Lächeln, im Lachen, da ist es so, daß das Geistig-Seelische, dasjenige, was wir in der Geisteswissenschaft Ich und astralischen Leib nennen, in einer gewissen Weise sich herauszieht - allerdings so, daß sich der Mensch in der Hand behält - aus dem Physischen und aus dem Ätherischen. Der Mensch weitet sich seelisch-geistig, indem er das Humorvolle erlebt.

Und sehen wir auf das radikale Extrem des Ernstes, auf das radikale Extrem: das Weinen, das Traurigwerden - es ist ein Aspekt wenigstens des Ernstes, der Aspekt aber, der uns das enthüllt, was im Ernste überhaupt lebt - er ist ein Mehr-sich-zusammen-Pressen, es ist ein das Seelisch-Geistige inniger mit dem Physisch-Leiblichen-Verbinden, als es verbunden ist, wenn wir in gleichgültiger, weder humoristischer noch ernster Stimmung sind. Humorvolle Stimmung, ein Weiten des Seelisch- Geistigen; ernste Stimmung, ein In-sich-zusammen-Pressen der geistig-seelischen Natur mit der physisch-leiblichen. Wir könnten ja auch sagen, weil wir ja nicht uns pedantischen oder tantenhaften Lehren hingeben dürfen über diese Dinge, in dem Lachen wird der Mensch altruistisch, in dem Ernste wird der Mensch egoistisch.“ (Lit.:GA 301, S. 110f)

Anthroposophen und Humor

Sehr oft hat Rudolf Steiner den mangelnden Humor vieler Anthroposophen bedauert:

„Nun konnte man sehr leicht meinen, daß es etwas Ungehöriges ist, so, wie man sagt, «heilige Dinge» satirisch zu behandeln. Aber wirklich, meine lieben Freunde, will man weiterkommen gerade auf dem Gebiete geistiger Weltanschauung, dann ist eine Grundforderung diese, daß man nicht das Lachen verlernt über dasjenige, worüber in der Welt gelacht werden muß, wenn man es richtig beurteilt. Eine Dame erzählte einmal von einem Herrn, der immer in der Stimmung war, «hinaufzusehen zu den großen Offenbarungen des Weltenalls». Von anderen Menschen, als von «Meistern», sprach er überhaupt nicht, und, verzeihen Sie, aber sie sagte noch: Er hat eigentlich immer «ein Gesicht bis ans Bauch» gemacht - sie war keine Deutsche, die betreffende Dame - also ein tragisch verlängertes Gesicht trug er stets zur Schau.“ (Lit.:GA 169, S. 124)

„Man kriegt manchmal ein bißchen Schmerzen, wenn man in anthroposophische Ansiedlungen oder Zusammenrottungen kommt. Da ist manchmal eine solche bleierne Schwere. Man kriegt die Leute nicht zum Beweglichwerden. Bleierne Schwere ist da; wenn man eine Diskussion beginnt, macht keiner den Mund auf, weil auch die Zunge bleiern schwer ist. Die Leute machen ein «Gesicht bis ans Bauch». Sie sind so wenig geneigt, zum Heiterwerden, zum Lachen zu kommen!“ (Lit.:GA 317, S. 102)

„Das ist dasjenige, was mir seit Jahren in einer so furchtbaren Weise in der anthroposophischen Bewegung Schmerz macht, daß die Menschen so fest auf den Beinen stehen, die Jungen fast genau so fest wie die Alten. Und denken wir darüber nach, wie sie fest auf ihren Beinen stehen können! Sehen Sie, da war im Grunde genommen der Nietzsche doch ein anderer Kerl, wenn er auch krank darüber geworden ist. Er hat seinen Zarathustra einen Tänzer werden lassen. Werden Sie doch Tänzer, in dem Sinne, wie es bei Zarathustra gemeint ist! Leben Sie mit innerster Freude an der Wahrheit! Es gibt ja nichts Entzückenderes als das Erleben der Wahrheit. Das ist etwas, was eine viel wichtigere und wesentlichere Esoterik ist als das, was mit den langen Gesichtern herumläuft. Dieses innere Erleben der Wahrheit, das ist das, was lange vorangehen muß allem übrigen Sich-Einreden von einer Mission.“ (Lit.:GA 317, S. 156f)

„Nun ist ja auch reichlich Gelegenheit, Humor zu entfalten, gerade innerhalb unserer geistigen Bewegung. Denn an nichts so sehr wie an solche geistige Bewegungen hängen sich die Karikaturen des Strebens nach dem Geistigen. Nicht Menschen meine ich, sondern Strebungen meine ich mit diesen Karikaturen. Was soll nicht alles gehen unter der Flagge des geistigen Strebens, oder sagen wir, des Dazugehörens zu einer Bewegung, welche das geistige Streben zu dem ihrigen macht! Das ist ja dasjenige, was so schwierig macht, vor der Welt solch eine geistige Bewegung zu vertreten.“ (Lit.:GA 169, S. 125f)

Humor und Esoterik

Humor ist ein wichtiges Heilmittel gegen das, was Rudolf Steiner gelegentlich «das Esoterikspielen» genannt hat:

„Esoterik ist wirklich sowohl gegenüber der eigenen Seele, wie gegenüber dem Menschen und gegenüber unserer Zeit eine außerordentlich ernste Sache. Damit sage ich nicht, daß der Ernst dadurch zustande kommt, daß man ein langes Gesicht macht und möglichst sentimental ist und wichtig tut, sondern es muß der innere Ernst, der sogar mit ganz gutem Humor vereinbar ist, vorhanden sein. Es darf zum Beispiel nicht der Usus herrschen: Ich weiß etwas, das kann ich dir aber nicht sagen, weil du noch nicht reif bist dazu. - Und nun erregt man die sonderbarsten Gefühle dadurch. Vor allen Dingen macht man sich ungeheuer wichtig, und man merkt es nicht, daß man sich wichtig macht.“ (Lit.:GA 260a, S. 124f)

„Aber etwas, was betont werden muß bei dieser Gelegenheit, das ist, daß ein Element von dem Menschen, der wirklich ein rechtes Verhältnis zu den geistigen Welten gewinnen will, besonders gesucht sein sollte, das ist das Element - wundern Sie sich nicht darüber, aber es muß eben einmal auch klar ausgesprochen werden, oder wenigstens deutlicher ausgesprochen werden, als es sonst immer geschehen ist -, das ist das Element des Humors. Es ist wirklich notwendig dem Streben nach der höheren Welt nicht humorlos gegenüberzustehen! Dieses Humorlos-Gegenüberstehen, das ist dasjenige, was so furchtbare Auswüchse zeitigt. Denn wenn derjenige, der sich einbildet, Homer oder Sokrates oder Goethe zu sein, daraufkäme, wie unendlich lächerlich er sich in dieser Rolle vorkommen muß, dann würde ihm dies ungeheuer zur Gesundung seiner Ansichten helfen! Aber auf solche Dinge kann ja eigentlich nur derjenige nicht kommen, der von seinem unwahren, sentimentalen Leben den Humor ferne hält. Denn wenn einer wirklich, ja, ich möchte schon sagen, das «Unglück» haben sollte, Homer gewesen zu sein, und durch ein richtiges Erkennen in einer späteren Inkarnation daraufzukommen, daß es so gewesen ist, dann würde ihm diese Erkenntnis wirklich zunächst in einem humoristischen Licht erscheinen. Gerade wenn es wahr ist, würde es ihm zunächst in einem humoristischen Lichte erscheinen. Man würde zunächst wahrhaftig sich selber auslachen!

Es ist schwer, gerade in Kürze über dieses Kapitel in der richtigen Weise zu sprechen. Aber die Seele dem Humor frei und offen zu halten, ist ein gutes Mittel, das Ernste in wirklichem Ernst zu nehmen. Sonst verunreinigt man sich, verlügt sich das Ernste durch die Sentimentalität, und die Sentimentalität ist der ärgste Feind des wirklichen Ernstes für die ernsten Dinge des Lebens. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß jemand, der - wie einmal eine ausländische Dame gesagt hat - dem Ernste geisteswissenschaftlicher Erkenntnis nur gegenüberstehen will immerfort «mit einem Gesicht bis ans Bauch», es unangenehm hätte finden können, daß ich in diesen Tagen von den Gedanken gesprochen habe, die sich ausnehmen wie eine Maus in der Hand. Aber man befreit sich von dem Ernst der Tatsachen dadurch, daß man versucht, sie in einer solchen Form darzustellen. Denn man verfälscht leicht die Tatsachen, wenn man an sie mit bloßer Sentimentalität herantritt, weil man dann in der Sentimentalität sich schon genügend zu den höheren Welten erhoben fühlt und nicht glaubt, auch noch durch das biegsame, elastische, bewegliche Verständnis in die geistigen Welten hinaufkommen zu sollen. Und wahrhaftig, leichter ist es, davon zu sprechen, daß die elementarische Welt erobert wird, wenn man «selbstlos, recht selbstlos» ist, leichter ist es, dadurch irgendwelche verschwommene Vorstellungen von der elementarischen Welt zu bekommen, als wirklich die Sache so plastisch zu machen, daß man den Übergang des Gedankens von einem toten Gegenstand zu einem lebendigen Wesen hat. Dieses anschauliche Charakterisieren, das ist dasjenige, was angestrebt werden soll. So daß wir uns allmählich dazu trainieren, in diese geistigen Welten ohne alle Sentimentalität hinaufzusteigen. Der Ernst kommt schon. Die Anstrengung, die ergibt sich gerade aus dem schweren Sich-Erarbeiten der Geisteswissenschaft. Und das, worauf es ankommt, ist, daß wir die Kraft gewinnen, die Stellung der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung innerhalb des heutigen Materialismus in der richtigen Weise einzusehen und durch diese Kraft ein richtiges Glied der geisteswissenschaftlichen Bewegung zu werden. Diese Kraft gewinnen wir auf keinem anderen Wege, als wenn wir versuchen, in der richtigen Weise anschaulich zu verstehen, wie diese geistigen Welten in Worte, in Vorstellungen gekleidet werden können, die der physischen Welt entnommen sind, trotzdem die geistigen Welten selber so unähnlich sind der physischen Welt.“ (Lit.:GA 164, S. 80ff)

Der Weltenhumor

Nicht zufällig, sondern einer inneren künstlerischen Notwendigkeit folgend, thront ganz oben an der Spitze der von Rudolf Steiner geschaffenen monumentalen Holzplastik des Menschheitsrepräsentanten, spöttisch herabblickend, der "Weltenhumor", von dem Steiner sagt:

„Dieses Hinunterschauen mit Humor über den Felsen hat seinen guten Grund. Es ist durchaus nicht richtig, sich in die höheren Welten nur mit einer bloßen Sentimentalität erheben zu wollen. Will man sich richtig in die höheren Welten hinaufarbeiten, so muß man es nicht bloß mit Sentimentalität tun. Diese Sentimentalität hat immer einen Beigeschmack von Egoismus. Sie werden sehen, daß ich oftmals, wenn die höchsten geistigsten Zusammenhänge erörtert werden sollen, in die Betrachtung etwas hineinmische, was nicht herausbringen soll aus der Stimmung, sondern nur die egoistische Sentimentalität der Stimmung vertreiben soll. Erst dann werden sich die Menschen wahrhaftig zum Geistigen erheben, wenn sie es nicht erfassen wollen mit egoistischer Sentimentalität, sondern sich in Reinheit der Seele, die niemals ohne Humor sein kann, in dieses geistige Gebiet hineinbegeben können.“ (Lit.:GA 181, S. 43ff)

Unterschied zwischen Humor und Witz

Jemand der Humor hat, und jemand der oder die Witz hat - das Witzige ist mehr auf das Intellektuelle bezogen, auch Schlagfertigkeit etc., Humor meint mehr das gefühlsmäßige Empfinden, das den Witz wohl einschließt, aber als Seelenqualität und spontane Regung umfassender ist, allgemein-menschlicher, 'runder', und umweltgerechter, als der spitze, oft nur gemeine, Witz.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Das Zitat stammt von dem deutschen Schriftsteller Otto Julius Bierbaum (1865-1910), der es als Motto seiner 1909 erschienenen „Yankeedoodle-Fahrt und andere Reisegeschichten“ vorangestellt hat.