Soziale Mobilität

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Soziale Mobilität (in Wirtschaft und Gesellschaft)

Von sozialer Mobilität wird dann gesprochen, wenn sich Menschen im sozialen Positionsgefüge bewegen und ihre Positionen wechseln – zum Beispiel ihren Beruf, ihren Betrieb, ihre Stellung innerhalb eines Betriebes oder ihre soziale Schicht.

Soziale Mobilität wird beobachtet und statistisch gemessen, um den Grad der Offenheit oder Geschlossenheit, d. h. der für den Einzelnen bestehenden sozialen Entwicklungschancen oder sozialen Bindungen, in einer Gesellschaft zu erfassen. Grundlegend werden horizontale und vertikale Mobilität unterschieden.


Vertikale Mobilität bedeutet, dass mit dem Positionswechsel ein sozialer Auf- oder Abstieg verbunden ist – die neue Position ist besser oder schlechter als die alte, z. B.

ein Arbeiter legt eine Meisterprüfung ab und steigt danach in eine Vorgesetztenposition auf oder ein Arbeiter verliert seinen qualifizierten Arbeitsplatz und muss nun Hilfsarbeiten verrichten. Vertikale Mobilität wird oft noch genauer als Karriere- oder Generationenmobilität gekennzeichnet.

Karrieremobilität bezeichnet den sozialen Auf- oder Abstieg, der sich im Lebenslauf eines Menschen vollzieht (vgl. Beispiele unter vertikale Mobilität).

Generationenmobilität meint den Positionswechsel in der Generationenfolge. Es wird danach gefragt, ob Kinder einen ähnlichen sozialen Status einnehmen wie ihre Eltern oder ob sie im Vergleich zu ihren Herkunftsfamilien sozial auf- oder abgestiegen sind.

Horizontale Mobilität dagegen bedeutet, dass mit der Bewegung im Positionsgefüge keine Besser- oder Schlechterstellung verbunden ist, z. B. ein Arbeiter wechselt lediglich den Betrieb.

Tendenzen vertikaler Mobilität in Deutschland Zunahme der Aufstiegsmobilität Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft relativ offener Zugang für alle zu den Bildungsmöglichkeiten Ausbau der Dienstleistungsberufe höhere Qualifikationsanforderungen in der Berufswelt Verlagerung des Schwergewichts von der körperlichen zur geistigen Arbeit

Zwang zur Aufstiegsmobilität Erleichterung für die Aufstiegsmobilität Schrumpfung der unteren Schichten, die vorwiegend körperlich arbeiten (Bauern, un- und angelernte Arbeiter, teilweise Facharbeiter, ausführende Dienstleistungsschicht) Ausbau der Dienstleistungs-mittelschicht und der höheren Schichten (Arbeiterelite, Beamte, Angestellte) Selbstreproduktion von geschlossenen Schichten bei teilweiser Schrumpfung Geschlossene Schichten sind die Besitzschichten des alten Mittelstandes, insbesondere Bauern und andere Selbstständige. Da die Zugehörigkeit zu diesen Schichten an die Verfügung über Betriebsmittel, Kapital oder Grund und Boden gebunden ist, sind Zugänge „von außen“ in diese Schichten relativ schwer. Die Bauernschaft, die innerhalb einer Generation auf ca. ein Viertel zusammenschrumpfte, rekrutierte sich zu 95% aus Bauernsöhnen. Auch die Unternehmer (Unternehmen ab 10 Mitarbeiter) rekrutierten sich zu zwei Dritteln aus den Selbstständigen. Hohe Selbstrekrutierungsraten zeichnen auch die Arbeiterschichten im unteren Bereich der Gesellschaft aus. Zwei Drittel der Arbeiter stammen aus Arbeiterfamilien.

Wollte man den Status erhalten, so gab es schon seit den 80er Jahren den Zwang zum Studium, bspw. im kaufmännischen Bereich, für Positionen, wo bis in die 70er Jahre noch eine einfache Berufsausbildung (Z.B. als Industriekaufmann, Großhandelskaufmann oder Bürokaufmann) ausgereicht hatte (Vgl. Schwietring, S. 197).

Langsame Zunahme der Abstiegsmobilität Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik (alte Bundesländer)

Strukturwandel in den neuen Bundesländern Strukturwandel in der Landwirtschaft hohe Arbeitslosigkeit Abstieg in andere Schichten nichtgewollter Ausstieg aus dem Erwerbsleben

	Abstieg in andere Schichten	 

Insbesondere in den neuen Bundesländern fand in den 1990er-Jahren eine deutliche Abstiegsmobilität statt.

Rechnet man

Arbeitslose, Vorruheständler, ABM-Beschäftigte und Umschüler zum sozialen „Unten“, dann waren 83 % der vertikal Mobilen bis 1994 soziale Absteiger. Auch bei den ostdeutschen Erwerbstätigen war vertikale Mobilität häufiger Mobilität nach unten: 26 % musste zwischen 1990 und 1994 absteigen, nur 18 % gelang ein sozialer Aufstieg.

In den alten Bundesländern vollziehen sich soziale Abstiege außer im Gefolge von Arbeitslosigkeit vor allem in der Landwirtschaft. Der dortige Strukturwandel führte dazu, dass nur knapp jeder vierte Bauernsohn den Hof der Eltern übernehmen kann. Zwei Fünftel derjenigen, die nicht in der Landwirtschaft bleiben, wechselten in die Arbeiterschichten, die gute Hälfte davon in die Gruppe der Un- und Angelernten.


Literatur

  • Bernhard Schäfers/Wolfgang Zapf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands, Vlg. Leske + Budrich, Opladen 1998, S. 574 - 583
  • Thomas Schwietring: Was ist Gesellschaft? Einführung in soziologische Grundbefriffe, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz - München 2011, S. 195 - 197
  • Johannes Huinink/Torsten Schröder: Sozialstruktur Deutschlands, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz - München 2014, S. 197 - 200

Weblinks