Säule der Milde

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Diese Zeichnung zeigt den kabbalistischen Lebensbaum mit den beiden Säulen Jachin und Boas und der vermittelnden Säule zwischen diesen beiden. Zusammen bilden sie die drei Säulen der Manifestation.

Die Säule der Milde (hebr. גסת Gusuth) ist die mittlere der drei Säulen der Manifestation im Lebensbaum der Kabbala. Sie vermittelt zwischen der rechten, weißen Säule Jachin und der linken, schwarzen Säule Boas. Die Säule der Milde wird in vielen Darstellungen des Lebensbaumes nicht explizit gezeigt, sondern ist gleichsam nur ideell anwesend.

Von den drei Müttern - das sind die hebräischen Buchstaben Aleph (א), Mem (מ) und Shin (ש), die auch für Seele, Leib und Geist stehen - wird der rechten, weißen Säule Jachin das Shin zugeordnet, der mittleren Säule der Milde das Aleph und der linken, schwarzen Säule Boas das Mem.

Die 10 Sephiroth sind zu beiden Seiten des Lebensbaumes als Gegensatzpaare angeordnet, die auf der mittleren Achse ihren Ausgleich finden. Die rechte Seite entspricht dabei der Vollkommenheit des Alls, die linke bringt die Entzweiung, die die äußere Schöpfung überhaupt erst möglich macht, zugleich aber auch der Ursprung des Zwistes ist und letztlich zur Hölle hinabführt. Im Sohar heißt es dazu:

„»Und es sprach Gott: »Es sei eine Scheide inmitten der Wasser!« Hier folgt im besonderen das Geheimnis der Scheidung der oberen und unteren Wasser: im Zeichen der linken Seite. Denn diese steht im Geheimnis der Entzweiung, während bis dahin nur von dem Geheimnis der rechten Seite gesprochen wurde. Die Rechte aber bezeichnet die Vollkommenheit des Alls und wird darum mit dem Namen »Alles« benannt, weil von ihr alle Vollendung abhängt. Das Erwachen der Linken ist das Erwachen des Zwistes; und an diesem Zwist kommt das Feuer des Grimmes zur Erstarkung. So hat von jenem Zwist die Hölle ihren Ursprung, die an der linken Seite erwacht und ihr verbunden bleibt. . . Dieses nahm die Weisheit des Mose wahr und gewann so Einblick in das Schöpfungswerk: wie in diesem Werke selbst schon der Zwist des Linken gegen das Rechte liegt und wie aus diesem Zwist, indem die Linke zur Erweckung kommt, auch die Hölle ihren Ursprung nimmt. Dann aber verbindet sich mit beiden die mittlere Säule, das ist der dritte Tag, tritt zwischen sie und schlichtet den Streit und versöhnt die beiden Seiten. Dadurch sinkt die Hölle hinab, die Linke vollendet sich an der Rechten, und wird Friede in allem.“ (Lit.: Sohar, S. 110)

Das vierte apokalyptische Siegel.

In der mittleren, vermittelnden Säule kündigt sich bereits das versöhnende Christus-Prinzip an, das in anderer Art auch in der Offenbarung des Johannes im vierten apokalptischen Siegelbild erscheint:

„Siegel IV stellt unter anderem zwei Säulen dar, deren eine aus dem Meer, die andere aus dem Erdreich aufragt. In diesen Säulen ist das Geheimnis angedeutet von der Rolle, welche das rote (sauerstoffreiche) Blut und das blaurote (kohlensäurereiche) Blut in der menschlichen Entwicklung spielen. Das menschliche «Ich» macht im Erdenkreislauf seine Entwicklung dadurch durch, daß es sein Leben physisch zum Ausdruck bringt in der Wechselwirkung zwischen rotem Blut, ohne das es kein Leben, und dem blauen Blut, ohne das es keine Erkenntnis gäbe. Blaues Blut ist der physische Ausdruck der Erkenntnis gebenden Kräfte, die aber für sich allein in ihrer menschlichen Form mit dem Tode zusammenhängen, und rotes Blut ist der Ausdruck des Lebens, das aber in der menschlichen Form keine Erkenntnis für sich allein geben könnte. Beide in ihrem Zusammenwirken stellen dar den Baum der Erkenntnis und den Baum des Lebens, oder auch die beiden Säulen, auf denen sich das Leben und die Erkenntnis des Ich fortentwickeln bis zu jenem Vollkommenheitgrade, wo der Mensch Eins werden wird mit den universalen Erdenkräften. Dieser letztere Zustand der Zukunft kommt auf dem Siegel durch den Oberleib zur Anschauung, der aus Wolken besteht, und durch das Gesicht, das sich die geistigen Kräfte der Sonne angeeignet hat. Das «Wissen» wird dann der Mensch nicht mehr von außen in sich aufnehmen, sondern in sich «verschlungen» haben, was in dem Buche in der Mitte des Siegels angedeutet ist. Erst durch solches «Verschlingen» auf höherer Daseinsstufe öffnen sich die sieben Siegel des Buches, wie sie auch auf Siegel III angedeutet sind. In der «Offenbarung St. Johannis» findet man darüber die bedeutungsvollen Worte: «Und ich nahm das Büchlein aus des Engels Hand und verzehrte es.....»“ (Lit.:GA 284, S. 91ff)

Einen Bezug gibt es auch zu der Kreuzesholzlegende, die Rudolf Steiner in einer handschriftlichen Notiz (Notizblatt Archivnummer 6954) kurz so zusammenfasste:

Adam hatte zwei Söhne
Kain = den selbststrebenden Menschen
Abel = den auf Offenbarung bauenden

Abel fiel durch Kains Tat. Das Erbe des Abel fiel dem Seth zu. Seth gelangte bis zum Eingang des Paradieses. Dort wurde er durch den Cherub mit dem Flammenschwert

nicht

zurückgehalten. Dies ist das Symbol dafür, daß Seth der Stammvater der initiierten Priesterschaft war. Ihm gab nun der Cherub drei Samenkörner (den höheren Menschen = atma - budhi - manas). Nachdem Adam gestorben war, legte Seth nach Anweisung des Cherub die drei Körner in Adams Mund.

Der dreigeteilte Busch, der daraus hervorwuchs, hatte in sich die Flammenschrift

Ehjeh - ascher - Ehjeh (Ich-bin-Ich)

Moses entnahm daraus den dreifachen Zweig, aus dem er seinen Stab formte.
David pflanzte diesen Stab in die Erde auf dem Berge Zion. Salomon nahm daraus das Holz, aus dem er die Eingangspforte des Tempels so machte

Zeichnung aus GA 265, S. 342
Zeichnung aus GA 265, S. 342

Durchgehen konnte da nur der Reine.
Die Leviten in ihrem Unverstand versenkten diese drei Stücke in den Teich Bethesda.
Zur Zeit Christi legten die Juden das Holz als Balken über den Bach Kedron.
Darüber schritt Christus nach seiner nächtlichen Gefangennahme am Ölberg.
Und daraus wurde dann auch das Kreuz gezimmert.“ (Lit.:GA 265, S. 341f)

In der Originalhandschrift von Marie Steiner werden explizit drei Säulen erwähnt:

„Als Seth das Paradies nach dem doppelten Sündenfall (Evas und Kains) wieder betreten hatte, sah er, wie der

Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens

sich vereinigt hatten.

Baum der Erkenntnis bedeutet menschliches Wissen.
Baum des Lebens bedeutet gott-geoffenbarte Weisheit.

Der Cherub mit dem Flammenschwert gab nun dem Seth drei Samenkörner; in ihnen waren alle Keime der vereinigten Bäume.

Nach Adams Tode legte Seth ihm die drei Körner in den Mund; aus diesen wuchs ein Busch und inmitten desselben war «Gottes-Name» zu lesen:

Ehjeh ascher ehjeh = Ich bin Ich

Aus dem Busch formte Moses seinen Stab. Dieser Stab war ewig grünend und wurde später in der Bundeslade aufbewahrt.
David pflanzte den Stab bei Zion in die Erde;
Salomon machte aus seinem Holz

drei Säulen.

Diese Säulen wurden am Eingang des Tempels aufgestellt.
Es sind dies: Jakin, Boas und M.
Die Leviten nahmen die Säulen und warfen sie in den Teich Bethesda.
Zur Zeit Christi wurden die Säulen aus dem Teich entfernt und in Brückenform über den Bach Kedron gelegt.
Jesus ging über diese Brücke zum Ölberg.
Dann wurde sein Kreuz daraus gezimmert.“ (Lit.:GA 265, S. 342)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.