Johanna Gräfin Keyserlingk

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Johanna Gräfin von Keyserlingk

Johanna Gräfin Keyserlingk, geborene Skene von Skene, (* 26. März 1879 in Breslau, damals Deutschland; † 16. März 1966 in Teinach, Schwarzwald), war Gutsbesitzerin und Anthroposophin.

Johanna von Keyserlingk hatte hellseherische Fähigkeiten und besprach sich oft mit Rudolf Steiner über die Ergebnisse ihrer Geistesforschung. Sie war Gastgeberin des Landwirtschaftlichen Kurses Pfingsten 1924 auf Schloss Koberwitz bei Breslau. Dieses Pfingstfest blieb fortan der Brennpunkt ihres Schicksals. In ihrem gastfreundlichen Haus beherbergte sie häufig anthroposophische Freunde.

Johanna von Keyserlingk entstammte dem schottischen Adelsgeschlecht der Skene of Skene. Ihre Hellsichtigkeit nannte Rudolf Steiner „den Segen des Clans“. Das schottische Hellsehen sei laut Steiner frei von Luzifer, so die mit Johanna befreundete Monica von Miltitz in ihrer Gratulation (Miltitz 1959). Johanna war die einzige Skene ihrer Generation, die diese Gabe besaß. – Karl von Skene, der sehr dominierende Vater, war aus Schottland ausgewandert; zuerst ließ er sich in Österreich nieder, später in Schlesien. Die Mutter Klara (geb. Schoeller) kam aus einer rheinischen Industriellenfamilie. Karl von Skene war im Aufsichtsrat des Familienunternehmens Vom Rath, Schöller & Skene AG (Landwirtschaft und Zuckerindustrie) tätig.

Ihre Kindheit verbrachte Johanna als drittes Kind unter drei Brüdern in Breslau. Schon früh bemerkte sie ihre Gabe, Ereignisse im Voraus wahrzunehmen. Sie stieß aber mit ihren geistigen Wahrnehmungen auf Unverständnis und konnte mit niemandem darüber sprechen. In ihrer Jugend beschäftigte sie sich mit Astronomie und mit der Philosophie Kants, später mit Angelus Silesius und Hölderlin. Bereits als Kind war sie – ohne ihn zu kennen – mehrfach Rudolf Steiner begegnet; an die erste Begegnung – auf einem Spaziergang im Wienerwald – erinnerte er sie später.

Am 21. Januar 1899 heiratete Johanna Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk; drei Söhne brachte sie zur Welt, einer davon starb schon bald nach der Geburt. Die Familie lebte in Klettendorf bei Breslau, wo der Sitz des Familienunternehmens war, in dem nun ihr Mann mitarbeitete. – Im Jahre 1907 hatte sie eine schwere Krankheit zu überstehen, die sie an die Todesschwelle führte. Noch Jahre danach traten ernste Spätfolgen auf. Johanna, die mit ihrer Seele jahrelang Orientierung suchte, hatte schon vor 1916 Schriften von Rudolf Steiner gelesen und ihm 1916 einen Brief geschrieben, der ihn jedoch nicht erreichte. Die überwältigende erste, einer Lebenswende gleichkommende Begegnung fand 1918 in Berlin bei Eliza Gräfin von Moltke statt. In einem langen Gespräch konnte sie mit ihm wichtige Stationen ihres bisherigen Lebens, auch Nahtod- und Todeserlebnisse besprechen, insbesondere auch ihre tiefgreifenden geistigen Wahrnehmungen, die bis ins erste Lebensjahr zurückreichten. Er gab ihr dann Übungen zur Klärung bestimmter Fragen in Zusammenhang mit ihren Wahrnehmungen. Er verlangte aber nicht, dass sie ihr Hellsehen verwandeln solle. Zum Schluss ermunterte er sie, ihre Erlebnisse aufzuschreiben. Ihr Bewusstsein sei so, wie es im dritten Jahrtausend gang und gäbe sein werde. Johanna wird Steiners esoterische Schülerin, an mehreren Tagen erhält sie persönliche Unterweisungen. Auch ihr Mann schließt sich Steiner nach seiner ersten Begegnung an.

1920 zieht die Familie – dank maßgeblicher Befürwortung, sogar Intervention Rudolf Steiners („Verlangen Sie Koberwitz!“) – auf das Gut Koberwitz. Karl und Johanna machen das zum Gut gehörende Schloss zu einer gastfreundlichen Stätte mit kosmopolitischem Zug, die u. a. drei Jahre lang den Gründungspriester der Breslauer Gemeinde der Christengemeinschaft Rudolf Meyer beherbergte (zu weiteren Gästen vgl. den Beitrag zu Carl von Keyserlingk). In Koberwitz wurde die erste Menschenweihehandlung in Schlesien zelebriert. Meyer blieb der Gräfin zeitlebens eng verbunden, ihm vertraute sie vieles aus ihren geistigen Forschungen an, so auch ihre Erlebnisse des Christus, über die sie mit Rudolf Steiner gesprochen hatte. Den feierlichen Höhepunkt der kurzen Zeit in Koberwitz (1928 mussten Keyserlingks nach Sasterhausen übersiedeln) bildete der Landwirtschaftliche Kurs zu Pfingsten 1924 (näheres vgl. den Beitrag zu Carl von Keyserlingk). Diese 12 Tage waren für Johanna – neben vielem anderen – angefüllt mit weiteren esoterischen Lehrgesprächen mit Rudolf Steiner. Vieles aus den insgesamt 28 Gesprächen, die sie führten, ist in ihren (größtenteils posthum durch ihren Sohn Adalbert Graf von Keyserlingk herausgegebenen) Veröffentlichungen festgehalten. Rudolf Steiner hatte – trotz des intimen Charakters vieler dieser Mitteilungen – nichts dagegen, dass sie darüber sprach. Themen dieser Gespräche waren u. a. Kaspar Hauser, Hölderlin, das Erdinnere, Schamballa und immer wieder der Christus.

1928 starb der Ehemann; 1941 wurde Johanna von der Gestapo verhaftet und tagelang verhört. – Nach dem Kriegsende 1945 verließ sie widerwillig Schlesien; mittellos und inkognito entkam sie nach Westdeutschland. In Stuttgart lebte sie in einfachen Verhältnissen. Ihre erste Veröffentlichung (Zwölf Tage um Rudolf Steiner) erschien 1949 als Privatdruck. Sie teilte manchen Freunden, u. a. Emil Bock und Margarita Woloschina, schon zu Lebzeiten Vertrauliches aus den Gesprächen mit Steiner mit. In den Jahren vor ihrem Tod hatte sie „noch die ganze Schwäche und Gebrechlichkeit der physischen Leiblichkeit an sich erfahren“ müssen (Meyer 1966). Ihre letzten Jahre verbrachte sie in einem Pflegeheim bei Teinach im Schwarzwald, wo sie auch starb.

Literatur

  • Koberwitz 1924. Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft, zusammengestellt und herausgegeben von Adalbert Graf von Keyserlingk, Verlag Hilfswerk Elisabeth, Stuttgart 1974