Horaz

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Horaz (Aussprache: [hoˈraːt͡s], * 8. Dezember[1] 65 v. Chr. in Venusia; † 27. November 8 v. Chr.), eigentlich Quintus Horatius Flaccus, ist neben Vergil, Properz, Tibull und Ovid einer der bedeutendsten römischen Dichter der „Augusteischen Zeit“. Seine philosophischen Ansichten und dicta gehörten bis in die Neuzeit zu den bekanntesten des Altertums und erfuhren eine reiche Rezeption in Humanismus und Klassizismus. Horaz trieb die klassische Literatur seiner eigenen Zeit auf eine neue Spitze und war besonders für den englischen Klassizismus das bedeutendste antike Vorbild.

Modernere Statue des Horaz in Venosa

Leben

Über das Leben des Dichters Horaz ist relativ viel bekannt. Dies liegt nicht in erster Linie an einer sekundären biographischen Tradition, die mit den Beschreibungen in der Vita Suetons im zweiten Jahrhundert einsetzte. Eine Hauptquelle für die Biographie des Dichters bilden vielmehr seine Selbstaussagen. Sie dienten Horaz in zahlreichen Kontexten als Folien für seine Philosophie und seine metapoetischen Überlegungen. Diese Selbstaussagen wurden zwar nicht in der Absicht getan, Horaz' Vita rekonstruieren zu helfen, doch verweisen sie auf zeitgenössische Ereignisse und Zustände, auf die der Dichter Bezug nimmt, und helfen so, ihn in einen Kontext einzuordnen.[2] Einen dritten Hinweis auf sein Leben bietet seine literarische Arbeitsweise, wozu die Auswahl seiner Motive und die Verarbeitung seiner Stoffe gehört. Horaz zeigt sich selbst agierend in einem Alltagsgeschehen, das spätere Leser auf die Ereignisse seiner Zeit verweist, und bietet besonders in den Satiren eine Abbildung von zeitgenössischen Beziehungen und Alltäglichkeiten, womit er sich nach Eigenaussagen programmatisch den Satirendichter Lucilius als Vorbild genommen hatte.[3]

Werk

Die künstlerische Entwicklung des Horaz kann in drei Stufen unterteilt werden:

  • das temperamentvolle und angriffslustige Frühwerk, mit den Satiren und Epoden (42 bis ca. 30 v. Chr.)
  • die klassische Reife, mit den Oden I-III und den Episteln I (ca. 31 v. Chr. bis Ende der 20er Jahre)
  • die Abgeklärtheit des späten Werkes, mit dem Carmen saeculare, den Oden IV und den Episteln II, darunter die Ars Poetica, (18 bis 13 oder 10 v. Chr.)

Besonders in den Anfangsjahren des Dichters überlagern sich die Entstehungszeiten der einzelnen Werke bis zur Herausgabe vollständiger Bücher. Die Darstellung von Eduard Fraenkel zum Werk der Epoden und Satiren hat versucht, die Satiren in der eigentlichen chronologischen Reihenfolge zu analysieren. Als ältestes Gedicht gilt dort wie allgemein die Satire 1, 2,[4] die Fränkel mit der unselbständigen Themenwahl begründete. Die Themenwahl der Gedichte brachte ebenfalls den Altphilologen Eckard Lefèvre zu der Annahme, dass zeitgleich mit der Satire 1, 2 früh zu datierende Epoden, u. a. die Gedichte 7, 10 und 16, vorgelegen haben müssen, von denen Horaz für seine Aufnahme bei Maecenas diejenigen mit brisanten politischen Inhalten benutzte.[5] Auch im Spätwerk des Dichters überlappen sich immer wieder produktive Phasen, wie der Beginn des ersten Epistelbuchs nach den Oden oder die Frage, ob sein letztes Werk die Ars Poetica oder das vierte Odenbuch war.[6] Zudem sollten die Charakterisierungen als Orientierung dienen. Horaz sprach zwar in seinen Oden selbst davon, dass sein Frühwerk schneller und angriffslustiger war,[7] doch bewahrte er sich auch im Brief mit Augustus eine Vertrautheit, die sich im zynischen Umgang miteinander äußerte, der an seine frühen Werke für Maecenas erinnert. In seinem Brief fragte ihn der Kaiser scherzhaft, ob es Horaz’ späteres Bild beeinträchtigen würde, wenn er zugäbe, den Kaiser gekannt zu haben.[8] Außerdem nimmt er Bezug zu seinem Frühwerk, wenn er im vierten Odenbuch die Einfachheit seiner Dichtung betont. Gleich im ersten Gedicht lässt er die frühere Moralkritik der Römeroden und den Anspruch aus der 16. Epode, ein vates zu sein, beiseite und wird zu den leichten lyrischen Inhalten der ersten drei Odenbücher zurückgedrängt.[9]

Philosophie

Horaz bezeichnete sich selbst als einen Schüler Epikurs (Epicuri de grege porcum – „ein Schweinchen aus der Herde des Epikur“).[10] Dabei hängt er der epikureischen Lehre nicht auf orthodoxe Weise an, sondern hat für sich einige Grundprinzipien übernommen. Lust ist das höchste Gut und Schmerz das größte Übel. Dabei ist die wahre Lust die Ataraxia, der Zustand vollkommener Ruhe und Ungestörtheit, das stille Glück im Garten (bzw. auf dem Lande), das sich aus dem Getriebe der Welt heraushält. Λάθε βιώσας (Lebe im Verborgenen) war einer der Leitsätze des Kepos der Epikureer. Götter existieren, doch sie leben glückselig und abgesondert von der Welt und üben keinen Einfluss auf sie aus. Trotzdem muss man das Zitat aus Epistel 1, 1, Vers 14 mitlesen, um Horazens Lebenshaltung zu verstehen: Nullius addictus iurare in verba magistri („nicht verpflichtet, auf die Worte eines Meisters zu schwören“). Er mag zwar in vielerlei Hinsicht Epikureer sein, aber er möchte sich trotzdem als Freidenker verstehen. Horaz urteilt also nicht immer als Epikureer, sondern z. B. auch als Anhänger der aristotelischen Philosophie (aurea mediocritas, Carminum liber II 10, Rectius vives, Licini,…).

Wirkungsgeschichte

Ausschnitt aus dem Fresko Der Parnass von Raffael, ca. 1508–1511 gemalt. Die vorne stehende männliche Figur wird als Horaz gedeutet.

Horaz wurde bald Schulautor, erhielt aber nicht die Breitenwirkung wie Vergil oder Ovid. Dennoch war er besonders für den Gelehrtenkreis um Karl den Großen und später für die Humanisten wichtig. Von größter Bedeutung war Horaz aber für die französischen Klassiker des 16. und 17. Jahrhunderts. Insbesondere versuchten Dichter und Kritiker wie Nicolas Boileau oder Martin Opitz, aus dem Brief De arte poetica eine programmatische Poetik zu (re)konstruieren, wie sie in dieser Systematik von Horaz kaum beabsichtigt war.

Siehe auch

Textausgaben

Editionen

  • Quintus Horatius Flaccus: Opera. hrsg. v. Friedrich Klingner, (=BT), Dritte Auflage (zuerst 1939), Leipzig 1959 (und Nachdrucke) (gewöhnlich zitierte Standardausgabe, auf der viele spätere Editionen aufbauen)
  • Quintus Horatius Flaccus: Opera. hrsg. v. D. R. Shackleton Bailey, (=BT), Vierte Auflage (zuerst 1985), Stuttgart 2001 (und Nachdrucke) (konjekturfreudiger Umgang mit dem überlieferten Text).
  • Quintus Horatius Flaccus: Opera. hrsg .v. S.(tefan = István) Borzsák. (=BT), Leipzig 1984 (textkritisch behutsam und konservativ).
  • Friedemann Weitz: "Lectiones Teubnerianae. Textkritische Ausgaben als Problemanzeige (am Beispiele Horazens)" http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/volltexte/2013/1881 (Übersicht der unterschiedlichen Lesungen der obigen drei Ausgaben in der Bibliotheca Teubneriana; mit einem Vortrag von Hermann Tränkle als Anhang: "Von Keller-Holder zu Shackleton-Bailey. Prinzipien und Probleme der Horaz-Edition").
  • Quintus Horatius Flaccus: Opera. hrsg. v. Edward C.(harles) Wickham, Oxford 1901; Zweite Auflage. hg. von Heathcote W.(illiam) Garrod, Oxford 1912 (und Nachdrucke).

Übersetzungen

Deutsch

  • Horaz: Oden und Epoden. hrsg. v. W. Killy, Ernst A. Schmidt und übersetzt von Ch. F. K. Herzlieb und J. P. Uz, Zürich/München 2000, ISBN 3-8289-4850-2.
  • Horaz: Sämtliche Gedichte mit den Holzschnitten der Straßburger Ausgabe von 1498. lat./dt., hrsg.v. Bernhard Kytzler. Reclam, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-028753-7.
  • Horaz: Sämtliche Werke. hrsg. v. Hans Färber, Artemis & Winkler (Sammlung Tusculum), München 1993, zehnte Auflage. (in Versübersetzung) ISBN 3-7608-1544-8.
  • Christoph Martin Wieland: Übersetzung des Horaz. hrsg. v. Manfred Fuhrmann, (= Bibliothek Deutscher Klassiker, Band 10), Dt. Klassiker-Verlag, Frankfurt am Main 1986 (einsprachig, Briefe und Satiren übers. mit Einl. u. Erkl., rezeptionsgeschichtlich relevant) ISBN 3-618-61690-2.

Englisch

  • Horace: Satires, Epistles and Ars poetica. hrsg. v. Henry Rushton Fairclough (= Loeb Classical Library, Band 194), Cambridge, Mass/ Harvard University Press u. a., Cambridge 1978 (ND, ältere Ausgabe, schwierig zu lesen) ISBN 0-674-99214-8.
  • Horace: Odes and epodes. hrsg. v. Niall Rudd, (= Loeb Classical Library, Band 33), Cambridge, Mass. / Harvard University Press u. a., Cambridge 2004, ISBN 0-674-99609-7.
  • Horace: Epodes. engl./lat., hrsg.v. David Mankin, Cambridge Univ. Press, Cambridge 1995, ISBN 0-521-39469-4.
  • Horace: The complete works of Horace. hrsg. v. Charles E. Passage, Ungar New York 1983, ISBN 0-8044-2404-7.
  • Horatius Flaccus: The works of Horace, translated into verse. engl./lat., hrsg. v. Karina Williamson/Christopher Smart(= The poetical works of Christopher Smart, Band 5), Oxford 1996, ISBN 0-19-812772-3.

Italienisch

  • Quinto Orazio Flacco: Le opere Band I.1-II.4, hrsg. v. Paolo Fedeli, Carlo Carena (= Antiquitas perennis), Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato, Rom 1991–1997, ISBN 88-240-3770-4.
  • Orazio: Tutte le poesie ital./lat., hg. v. Paolo Fedeli, Carlo Carena, (= I millenni), Einaudi, Turin 2009, ISBN 978-88-06-19287-7.
  • Quinto Orazio Flacco: Le opere ital./lat., hrsg. v. Mario Ramous (= I libri della spiga), Garzanti, Mailand 1988, ISBN 88-11-58670-4.

Französisch

  • Horace: Q. Horati Flacci opera avec un commentaire critique et explicatif des introd. et des tables. Hrsg. v. Frédéric Plessis, Paul Lejay. Hachette, Paris 1911 (enth. Satiren).

Literatur

Übersichtsdarstellung

  • Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius und ihr Fortwirken. Band 1. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-026525-5, S. 599–624

Einführungen und Gesamtdarstellungen

  • Eduard Fraenkel: Horaz. 6. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983 (klassische Gesamtdarstellung der Dichtung des Horaz)
  • Niklas Holzberg: Horaz. Dichter und Werk. C. H. Beck Verlag, München 2009, ISBN 978-3-406-57962-2.
  • Bernhard Kytzler: Horaz. Eine Einführung. Reclam, Stuttgart 1996, 2000, ISBN 978-3-15-009603-1 (übersichtliche und gut verständliche Einführung)
  • Eckard Lefèvre: Horaz. Dichter im augusteischen Rom. C.H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37336-4.

Kommentare

  • Q. Horatius Flaccus: Werke. Band 1/2, hg.v. und erkl. v. Adolf Kiessling, Richard Heinze, Dublin/Zürich 1966, Zwölfte Auflage.
  • Lindsay C. Watson: A commentary on Horace’s Epodes. Oxford 2003.
  • Robin G. M. Nisbet, Margaret Hubbard: A commentary on Horace. Odes Book I/II. Oxford 1970/1978.
  • Robin G. M. Nisbet, Niall Rudd: A commentary on Horace. Odes Book III. Oxford 2004.
  • Paolo Fideli, Irma Ciccarelli: Quintii Horatii Flacci Carmina Liber IV. Florenz 2008.
  • Karl Numberger: Horaz, Lyrische Gedichte, Kommentar für Lehrer der Gymnasien und für Studierende. 3. Auflage. Aschendorff, Münster 1993.

Untersuchungen zu einzelnen Themen

  • Paul Barié: Horaz „Carpe diem. Pflücke den Tag“. Lebensweisheit in der Lyrik des Horaz (= Reihe: Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie. 25). Sonnenberg, Annweiler 2008, ISBN 978-3-933264-52-7
  • Hans Oppermann (Hrsg.): Wege zu Horaz. Darmstadt 1980.
  • Nina Mindt: Die meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz (= Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten. Band 3). Edition Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-89744-257-3.
  • Michael C. J. Putnam: Artifices of Eternity. Horace’s Fourth Book of Odes. Cornell University Press, Ithaca/ London 1986 (glänzende ‚Rehabilitation‘ des lange als zweitrangig betrachteten vierten Odenbuches)

Rezeption

  • Gianluigi Baldo: Horaz (Quintus Horatius Flaccus). Carmina. In: Der Neue Pauly (DNP). Band Suppl. 7, Metzler, Stuttgart 1996–2003, ISBN 3-476-01470-3, Sp. 373–396.
  • Tino Licht: Horazüberlieferung im Frühmittelalter. In: Ex Praeteritis Praesentia. Heidelberg 2006, S. 109–134..

Lexika

  • Dominicus Bo: Lexicon Horatianum Bände I und II, Olms, Hildesheim 1965 und 1966.
  • Enciclopedia Oraziana. Band I-III, Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1996–1998.

Weblinks

 Wikisource: Quintus Horatius Flaccus – Quellen und Volltexte (latina)
 Wikisource: Horaz – Quellen und Volltexte
 Wikiquote: Horaz – Zitate
Commons: Horaz - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelanchweise

  1. Vgl. Suet. vita Hor. 7; Vgl. Hor. epist. 1,20,27.
  2. Eduard Fraenkel: Horace. Oxford 1957, S. 368–369.
  3. Vgl. Hor. serm. 2,1, 30-35. quot capitum vivunt, totidem studiorum milia: me pedibus delectat claudere verba Lucili ritu, nostrum melioris utroque. ille velut fidis arcana sodalibus olim credebat libris neque, si male cesserat, usquam decurrens alio neque, si bene. quo fit ut omnis votiva pateat veluti descripta tabella vita senis. sequor hunc […] (wie viele tausend Leben sind, so viele Bestrebungen gibt es auch. Mich freut es, in Lucilischer Art mit Versfüßen die Worte einzuschließen, eines Mannes, besser als jeder von uns. Jener vertraute einst seine Geheimnisse seinen Bücher wie guten Freunden an. Egal, ob Dinge schlecht oder gut eingetreten waren, wendete er sich nicht auf anderes. Daher kommt es, dass das Leben der Alten offen vor uns liegt, beschrieben wie ein Wunschtäfelchen. Diesem folge ich […])
  4. Vgl. Eduard Fraenkel, Horace, Oxford 1957, S. 76.
  5. Eckard Lefèvre, Horaz, München 1993, S. 61.
  6. Vgl. Niall Rudd, Horace. Epistles Book II and the Epistle to the Pisones, Cambridge 1989, S. 19ff.
  7. Vgl. Hor. Oden 1, 16, 24–29.
  8. Vgl. Suet. vita Horatii, 45.
  9. Vgl. Hor. Oden 4, 1, 28–40.
  10. Hor. epist. 1,4,16
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