Gorgias (Platon)

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Platon (römische Kopie des griechischen Platonporträts des Silanion, Glyptothek München)

Der Gorgias (griechisch Γοργίας Gorgías) ist ein in Dialogform verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon, zu dessen umfangreichsten Schriften er zählt. Den Inhalt bildet ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch. Platons Lehrer Sokrates diskutiert mit dem berühmten Redner Gorgias, nach dem der Dialog benannt ist, sowie dessen Schüler Polos und dem vornehmen Athener Kallikles.

Allgemeines

Gorgias steht, nachdem er einen Vortrag gehalten hat, für beliebige Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. Sokrates nutzt die Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch zu kommen. In der ersten Phase des Dialogs debattieren abwechselnd Gorgias und Polos mit Sokrates. Später übernimmt Kallikles, der sich von Sokrates’ Haltung herausgefordert sieht, die Rolle von dessen Gegenspieler.

Das Thema ist zunächst die Frage, worin der Sinn und Zweck der von Gorgias meisterhaft praktizierten Redekunst besteht. Es stellt sich heraus, dass sie darauf abzielt, die Zuhörer durch Schmeichelei zu überreden. Sie soll dem Redner in juristischen oder politischen Auseinandersetzungen den Sieg verschaffen. Damit soll sie für ihn, wie er glaubt, etwas Gutes bewirken. Sokrates bestreitet aber, dass die Rhetorik diese Erwartung erfüllen kann; er meint, der Redner bilde sich das nur ein. Um dies zu prüfen, muss man klären, worin eigentlich das Gute und Wünschenswerte besteht. Damit wendet sich die Diskussion ihrem Hauptthema zu, der Frage nach der richtigen Lebensweise. Darüber klaffen die Auffassungen schroff auseinander. Für Kallikles ist das Gute der Lustgewinn, der daher mit allen geeigneten Mitteln anzustreben ist; ethische und juristische Bedenken sind dabei belanglos. Sokrates stellt dem seine philosophische Überzeugung entgegen, wonach es besser ist Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun, da begangenes Unrecht dem Täter seelisch den größten Schaden zufügt. Aus seiner Sicht beruhen das Gute und die Vorzüglichkeit auf der richtigen, naturgemäßen Ordnung, die der Mensch sowohl in der Gesellschaft als auch in seiner eigenen Seele zu wahren hat. Die seelische Ordnung erfordert, dass die chaotischen Begierden der Herrschaft der Vernunft unterstellt werden. Wer sich selbst beherrscht, ist tugendhaft, handelt daher richtig und führt ein gelungenes Leben. Er hat den Zustand der Eudaimonie („Glückseligkeit“) erlangt. Dafür wird nicht rhetorisches Geschick benötigt, sondern philosophische Einsicht.

Eine Einigung wird nicht erzielt. Weder kann Sokrates seine Gesprächspartner überzeugen, noch gelingt es ihnen, seine Argumentation zu entkräften. Gorgias, Polos und Kallikles machen zwar einige Zugeständnisse, doch im Wesentlichen bleibt jeder bei seiner Ansicht.

Zu vielen weiteren Themen siehe auch

Ausgaben und Übersetzungen

  • Otto Apelt (Übersetzer): Platons Dialog Gorgias. In: Otto Apelt (Hrsg.): Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 1, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (Übersetzung mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der 2., durchgesehenen Auflage, Leipzig 1922).
  • Winfried Czapiewski (Übersetzer): Platon: Gorgias. 2. Auflage, Laufen, Oberhausen 2017, ISBN 978-3-87468-261-9
  • Joachim Dalfen (Übersetzer): Platon: Gorgias (= Ernst Heitsch, Carl Werner Müller (Hrsg.): Platon: Werke. Übersetzung und Kommentar, Bd. VI 3). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-30422-6.
  • Julius Deuschle (Übersetzer): Gorgias. In: Erich Loewenthal (Hrsg.): Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden, Bd. 1, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 301–409.
  • Gunther Eigler (Hrsg.): Platon: Werke in acht Bänden, Band 2, 5. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-19095-5, S. 269–503 (Abdruck der kritischen Ausgabe von Maurice Croiset, 13. Auflage, Paris 1968, mit der deutschen Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, 2., verbesserte Auflage, Berlin 1818).
  • Michael Erler, Theo Kobusch (Hrsg.): Platon: Gorgias. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-018896-5 (unkritische Ausgabe mit Übersetzung von Erler; Kommentar und Nachwort von Kobusch).
  • Kurt Hildebrandt (Übersetzer): Platon: Gorgias oder Über die Beredsamkeit. Reclam, Stuttgart 1989, ISBN 3-15-002046-8.
  • Rudolf Rufener (Übersetzer): Platon: Die Werke des Aufstiegs (= Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke, Bd. 2). Artemis, Zürich/München 1974, ISBN 3-7608-3640-2, S. 269–400 (mit Einleitung von Olof Gigon S. 87–159).
  • Ramón Serrano Cantarín, Mercedes Díaz de Cerio Díez (Hrsg.): Platón: Gorgias. Consejo Superior de Investigaciones Científicas, Madrid 2000, ISBN 84-00-07972-8 (kritische Edition mit Einleitung und spanischer Übersetzung).

lateinisch (humanistisch)

  • Matteo Venier (Hrsg.): Platonis Gorgias Leonardo Aretino interprete. Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino, Firenze 2011, ISBN 978-88-8450-408-1 (kritische Edition von Brunis Gorgias-Übersetzung).

Siehe auch

Literatur

Übersichtsdarstellungen

Untersuchungen und Kommentare

  • Marcel van Ackeren: Das Wissen vom Guten. Bedeutung und Kontinuität des Tugendwissens in den Dialogen Platons. Grüner, Amsterdam 2003, ISBN 90-6032-368-8, S. 64–75, 96–122.
  • Joachim Dalfen: Platon: Gorgias. Übersetzung und Kommentar (= Ernst Heitsch, Carl Werner Müller (Hrsg.): Platon: Werke. Übersetzung und Kommentar, Bd. VI 3). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-30422-6.
  • Michael Erler, Luc Brisson (Hrsg.): Gorgias – Menon. Selected Papers from the Seventh Symposium Platonicum. Academia Verlag, Sankt Augustin 2007, ISBN 978-3-89665-357-4 (zahlreiche Aufsätze)
  • Charles H. Kahn: Drama and Dialectic in Plato’s Gorgias. In: Oxford Studies in Ancient Philosophy. Bd. 1, 1983, S. 75–121.
  • Richard McKim: Shame and Truth in Plato’s Gorgias. In: Charles J. Griswold (Hrsg.): Platonic Writings, Platonic Readings. Routledge, New York 1988, ISBN 0-415-00187-0, S. 34–48.
  • Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie. Interpretationen zu den frühen und mittleren Dialogen. De Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-010272-2, S. 191–207.
  • Joachim Stiller: Gorgias - Eine Besprechung des Gorgias PDF

Weblinks

  • Gorgias, griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet, 1903
  • Gorgias (PDF), deutsche Übersetzung nach Friedrich Schleiermacher, bearbeitet
  • Gorgias, deutsche Übersetzung von Julius Deuschle (1859)
  • Robin Waterfield: Kommentar


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