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Erdmagnetfeld

Aus AnthroWiki
Das Erdmagnetfeld und die Sonne:
Die Magnetosphäre des Planeten schirmt die Erdoberfläche von den geladenen Partikeln des Sonnenwinds ab (nicht maßstabsgetreue, illustrierende Darstellung).

Das Erdmagnetfeld durchdringt und umgibt die Erde. Es besteht aus drei Komponenten. Der Hauptanteil des Magnetfelds (ca. 95 %) wird vom Geodynamo im flüssigen äußeren Erdkern hervorgerufen. Dieser Feldanteil unterliegt langsamen zeitlichen Veränderungen. Über lange Zeiträume (zehntausende Jahre) hat er an der Erdoberfläche annähernd die Feldform eines magnetischen Dipols, leicht schief zur Erdachse. Dazwischen erfolgen geomagnetische Exkursionen auf einer Zeitskala von Jahrhunderten, die zu "Polsprüngen" führen können.

Ein zweiter Anteil des Erdmagnetfeldes entsteht durch elektrische Ströme in der Ionosphäre und der Magnetosphäre. Er trägt an der Erdoberfläche etwa 1 bis 3 % zum Gesamtfeld bei. Die Ursachen sind einerseits Winde in der Ionosphäre (sq-Effekt), die einen Tages- und Jahresgang zeigen, andererseits Wirkungen des magnetisierten Plasmas des Sonnenwindes, der jenseits der Magnetosphäre herrscht; er staucht sie auf der Tagseite und zieht sie auf der Nachtseite zu einem langen Schlauch aus. Die so erzeugten magnetischen Stürme führen zu schnellen Schwankungen, die Polarlichter, aber auch Störungen des Funkverkehrs bewirken.

Der dritte Anteil variiert räumlich stark, denn er zeigt höhere Multipol-Komponenten (siehe Geomagnetik). Zeitlich verändert er sich nur in geologischen Zeiträumen. Er besteht in dem Feld der remanenten Magnetisierung in Teilen der oberen Erdkruste z. B. Erzlagerstätten. Diese „Störfelder“ können lokal mehrere Prozent des Gesamtfeldes ausmachen.

Die Magnetisierung ferromagnetischer Einschlüsse in den ältesten irdischen Mineralen, den Zirkonen, zeigt, dass das Erdmagnetfeld bereits vor über vier Milliarden Jahren bestand.[1] In einigen geologischen Formationen lassen sich aus der örtlichen Magnetisierung zahlreiche Polsprünge ablesen (Magnetostratigraphie).

Die Stärke und Richtung des Erdmagnetfeldes variieren mit dem Ort der Messung. Die zur Erdoberfläche horizontale Komponente beträgt in Deutschland etwa 20 Mikrotesla, die vertikale etwa 44 Mikrotesla. Ausgenutzt wird das Erdmagnetfeld z. B. in der geophysikalischen Prospektion und in der Navigation.

Forschungsgeschichte

Inklinationskarte für 1860
Inklinationskarte für 2010. Die grüne Isokline für 0° stellt den magnetischen Äquator dar.

Chinesen und Mongolen erkannten die Nordweisung magnetisierter Körper schon vor mehr als tausend Jahren. Erste qualitative Messungen von Komponenten des Erdmagnetfelds, so der Deklination und Inklination, sind seit der Erfindung des trockenen Kompass ab dem 12. Jahrhundert möglich und bekannt.

Im Jahre 1600 veröffentlichte der englische Arzt und Naturphilosoph William Gilbert sein Werk De Magnete, in dem er erstmals erkannte, dass die Erde die Ursache für die Ausrichtung der Kompassnadel ist. Messungen durch Henry Gellibrand in London ergaben zudem, dass das Magnetfeld nicht statisch ist, sondern sich langsam ändert.

Alexander von Humboldt führte systematische Messungen im preußischen Bergbau und auf seinen Forschungsreisen durch. Carl Friedrich Gauß baute in Göttingen das erste geophysikalische Observatorium auf und konstruierte dafür 1832 ein empfindliches Magnetometer. Er erkannte, dass global verteilte Messungen zeitgleich erfolgen müssten, um die Ursachen der Schwankungen lokalisieren und das statische Feld genauer messen zu können. Der zu diesem Zweck gegründete Magnetische Verein und die britische Royal Society lieferten ab 1836 Daten, die er und Wilhelm Weber auswerteten. Er konnte 1839 zeigen, dass der Hauptteil des statischen Erdmagnetfeldes aus dem Erdinneren stammt, kleinere, kurzzeitige Variationen des Erdmagnetfeldes dagegen von außerhalb.

Weitere internationale Messkampagnen fanden während der Polarjahre 1882, 1932 und im Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957–1958 statt. Dabei wurden die früheren mechanischen Magnetometer (Magnetische Feldwaagen, Torsionsmagnetometer) zunehmend von induktiv oder atomar arbeitenden (Saturationskern-, Fluxgate- (Förster-Sonde-); Protonen- und Cäsium-)Magnetometern abgelöst.

Industriegeschichtlich war in Deutschland die Entwicklung von entsprechenden Präzisionsmessgeräten in Kooperation mit der Forschung eng mit den Askania-Werken in Potsdam verbunden, so bei der weltweit verbreiteten Schmidtschen Feldwaage, die neben der Messung von regionalen Daten des Erdmagnetfelds auch die Abschätzung der Magnetisierung von Gesteinsproben erlaubte.

Die räumliche Verteilung des Erdmagnetfeldes zwischen den geomagnetischen Observatorien lieferte zunächst die Schifffahrt. Zunehmend übernehmen diese Aufgabe spezialisierte Satelliten, Magsat 1980, der dänische Satellit Oersted 1999, die vier Cluster-Satelliten 2000, CHAMP 2000, SWARM 2013. Die räumliche Abdeckung relativ langsamer Schwankungen ist seither gut, während die derzeit über 200 Laboratorien zur koordinierten Überwachung kurzzeitiger Variationen unverzichtbar sind.

Stärke und Form

Komponenten des Erdmagnetfeldes in Dipol-Näherung, abhängig vom Breitengrad: gelb – horizontale Komponente, magenta – vertikale Komponente, blau – Absolutwert
Mollweide-Projektion des Erdmagnetfelds und seiner zeitlichen Variation seit 1900 gemäß IGRF in Nanotesla.[2]
Zeitliche Schwankungen im Erdmagnetfeld durch einen magnetischen Sturm am 31. März 2001, gemessen in Ile-Ife, Nigeria

Am Äquator hat das Magnetfeld eine „Stärke“ (magnetische Flussdichte) von ca. 30 µT (Mikrotesla). An den Polen ist der Betrag etwa doppelt so groß. In Mitteleuropa sind es etwa 48 µT, nämlich etwa 20 µT in der horizontalen und 44 µT in der vertikalen Richtung.

Der Kompass weist auf weiten Teilen der Erdoberfläche grob in geographische Nord-Richtung. Abweichungen von der Ausrichtung zum geografischen Nordpol bezeichnet man als Missweisung, Ortsmissweisung oder Deklination. Sie sind besonders groß und variabel in hohen nördlichen und südlichen Breiten, denn dort liegen, abseits der geographischen Pole, die geomagnetischen Pole, an denen die horizontale Feldkomponente verschwindet. Der Pol im Norden heißt geomagnetischer Nordpol, obwohl es aus physikalischer Sicht ein magnetischer Südpol ist.

Schon in mittleren Breiten ist die Vertikalkomponente (im Bild magenta) stärker als die Horizontalkomponente (gelb), das heißt, die Inklination ist größer als 45°, in Deutschland etwa 60°. In Inklinationskarten ist der Winkel der Feldlinien zur Erdoberfläche abhängig vom Ort aufgetragen. Wie der magnetische Pol wandert dieses Muster ständig.[3] Wenn man alle Orte mit der Inklination Null – die Feldlinien verlaufen parallel zum Boden – verbindet, erhält man den magnetischen Äquator.

Bei geeigneter Wahl des Koordinatenursprungs und seiner Ausrichtung lässt sich das Erdmagnetfeld an der Oberfläche zurzeit zu 90 Prozent durch ein Dipolfeld beschreiben.

Die geomagnetischen Pole der Erde fallen dabei nicht genau mit den geographischen Polen der Erde zusammen. Gegenwärtig (Stand 2015) ist die Achse des geomagnetischen Dipolfeldes um etwa 9,6° gegenüber der Erdachse geneigt.[4]

In erster Näherung entspricht das Dipolfeld dem eines gekippten Stabmagneten, der um ca. 450 km aus dem Erdmittelpunkt in Richtung 140° östlicher Länge verschoben ist (siehe auch Südatlantische Anomalie). Das Dipolmoment beträgt:

(Stand IGRF-11, 2010)

Die jährliche Veränderung zurzeit:

In SI-Einheiten wird das magnetische Dipolmoment in Am² angegeben und mithilfe der magnetischen Feldkonstante umgerechnet:

Zur näherungsweisen Berechnung des Betrags der Feldstärke des Dipolfelds in Abhängigkeit vom Abstand dient die Dipolformel mit der magnetischen Breite [5]:

Im Erdmantel nimmt die magnetische Flussdichte mit wachsender Tiefe stark zu. Dabei verändert sich jedoch auch die Feldform, da nicht-dipolförmige Anteile überproportional anwachsen. Bessere Näherungen als das Dipolmodell liefert daher ein Multipolfeld, das aktuelle International Geomagnetic Reference Field (IGRF). Dazu wird das Erdfeld auf ein Potentialfeld zurückgeführt, das nach Kugelflächenfunktionen entwickelt wird. Die aktuellen Entwicklungskoeffizienten (Gauss-Koeffizienten gml und hml) sind im IGRF[6] zu finden.

Die Energie, die im erdmagnetischen Hauptfeld außerhalb des Erdkörpers gespeichert ist, liegt in der Größenordnung 1018 Joule, die Feldenergie innerhalb des Erdkörpers ist vermutlich um zwei Größenordnungen größer. Genau lässt sich das nicht sagen, denn am Ort der Erzeugung (durch verteilte elektrische Ströme, s. u.) ist einerseits die Energiedichte des Feldes besonders hoch, andererseits das Modell des Stabmagneten grob falsch.

Paläomagnetismus und die Umpolung des Erdmagnetfeldes

Beschleunigte Wanderung des arktischen Magnetpols

Die paläomagnetische Rekonstruktion des Erdmagnetfeldes aus der remanenten Magnetisierung der ozeanischen Kruste, die überwiegend jünger ist als 100 Millionen Jahre, ergibt ein zumeist leidlich stabiles Feld, das sich immer wieder in jeweils geologisch kurzen Zeiträumen umpolt. Diese Umpolungen („Polsprünge“) geschahen im Mittel etwa alle 250.000 Jahre, zuletzt vor etwa 780.000 Jahren die sogenannte Brunhes-Matuyama-Umkehr.[7] Häufiger als Umkehrungen sind tiefe kurze Einbrüche, nach denen sich das Feld in der gleichen Richtung wie zuvor wieder aufbaut. Für den Zeitraum vor 10 bis 78 Jahrtausenden sind zwei solche Exkursionen bekannt, das Laschamp-Ereignis und die Mono-Lake-Exkursion. Die Zeit vom Beginn der Abschwächung bis zum voll wiederaufgebauten Feld dauert wenige 1000 Jahre, nur wenige 100 Jahre dagegen die Phase der Umkehr, in denen der Dipolcharakter des Feldes verloren geht und mehrere, schwache Pole auftreten können, auch in geringen geographischen Breiten.[8] Untersuchungen von Seesedimenten in den italienischen Appenninen deuten jedoch darauf hin, dass die Brunhes-Matuyama-Umkehr innerhalb von weniger als 100 Jahren stattfand.[9]

Die magnetischen Pole sind nicht ortsfest. Der arktische Magnetpol in Kanada wandert derzeit etwa 90 Meter pro Tag in Richtung Nord-Nordwest, entsprechend 30 Kilometer pro Jahr. Sowohl die Richtung als auch die Geschwindigkeit ändern sich fortlaufend. Zudem hat sich seit den Messungen von Gauß die Stärke des Erdmagnetfeldes um fast zehn Prozent verringert, in den letzten hundert Jahren allein um etwa sechs Prozent, ähnlich schnell wie beim Laschamp-Ereignis.[10] Eine Kurvenanpassung an die Ausdehnung der südatlantischen Anomalie über die letzten 400 Jahre ergibt eine Ausdehnung der Anomalie über die halbe Erde schon im Jahr 2034 ± 3.[11] Die Messungen der Swarm-Satelliten über die ersten sechs Monate dieser ESA-Mission bestätigen die beschleunigte Abnahme des Erdmagnetfeldes im Südatlantik, zeigen aber auch eine Stärkung im südlichen Indischen Ozean.[12]

Diese schnelle Änderung ist noch nicht zu erklären, da selbst dann, wenn der sogenannte Geodynamo sofort ausfiele, das Erdmagnetfeld sich viel langsamer in einem Zeitraum von 10.000 Jahren abbauen würde. Man vermutet deshalb, dass sich im Kern das Feld regional bereits umpolt und ein Gegenfeld aufgebaut wird, welches das globale Feld weit schneller abbaut als das durch ein passives Abklingen möglich wäre.

Entstehung und Aufrechterhaltung (Geodynamo)

Vereinfachte Illustration des Geodynamo-Mechanismus: Durch den Wärmefluss aus dem inneren Kern wird das flüssige Metall im äußeren Erdkern in Bewegung gesetzt (Konvektion) und durch die Corioliskraft zu schraubenförmiger Rotation gebracht. Die Wechselwirkung des sich bewegenden leitfähigen Materials mit dem Erdmagnetfeld erzeugt elektrische Ströme (Induktion), die wiederum eigene Magnetfelder erzeugen, die das Erdmagnetfeld aufrechterhalten. Somit ist der Prozess selbsterhaltend, sofern ausreichend Energie für die Konvektion zur Verfügung steht.[13]

Über die Entstehung des Hauptmagnetfeldes gibt es verschiedene Theorien, wovon die sogenannte Dynamotheorie heute allgemein als zutreffend anerkannt ist. Der durch sie beschriebene Mechanismus wird als Geodynamo (oder genauer: als Geodynamo-Modell) der Magnetohydrodynamik bezeichnet. Es handelt sich also nur um eine Modelltheorie, die allein das Wesentliche erfassen soll.

Anmerkung zur Begriffsbildung:
Die Bezeichnung Dynamotheorie lehnt sich an den Begriff Dynamoelektrisches Prinzip an, ein von Werner von Siemens und anderen erfundenes Prinzip einer speziellen Bauweise für einen technischen Gleichstromgenerator. Dabei wird das für die Stromerzeugung erforderliche Magnetfeld – mittels einer entsprechenden Schaltungsanordnung – durch den erzeugten Strom oder einen Teil davon durch positive Rückkopplung selbst erzeugt. In der Tatsache, dass es sowohl beim Dynamoelektrischen Prinzip als auch bei der Entstehung des Erdmagnetfeldes eine positive Rückkopplung gibt, erschöpft sich die wesentliche Parallele zwischen beiden schon. Im Erdinneren gibt es keine Strukturen, die mit denen eines technischen Gleichstromgenerators oder Dynamos vergleichbar wären.
Der Begriff Dynamo wird also im Zusammenhang mit Erdmagnetismus in einer speziellen, eingeschränkten Bedeutung gebraucht, nämlich nur für ein System mit positiver Rückkopplung zwischen Magnetfeld und darin erzeugtem Strom. Deshalb sollte man nicht versuchen, sich die Funktionsweise des Geodynamos anhand der Funktionsweise eines Fahrraddynamos (des einzigen heute noch allgemein bekannten „Dynamos“, der aber trotz seines Namens nicht auf dem dynamoelektrischen Rückkopplungsprinzip basiert) erklären zu wollen.

Die Dynamotheorie geht von dem als gesichert geltenden Aufbau des Erdinneren aus, insbesondere davon, dass eine große Menge einer elektrisch leitenden Flüssigkeit vorhanden ist. Diese Bedingung erfüllt der flüssige äußere Erdkern, der stark eisenhaltig ist und den inneren festen Kern aus nahezu reinem Eisen umschließt. Der Erdkern ist sehr heiß, einige Schätzungen liegen bei 5000 °C. Er ist also in etwa so heiß wie die Sonnenoberfläche. Eisen oder Nickel sind auch bei den hohen Drücken im Erdkern nicht (ferro-)magnetisierbar, weil die Temperatur weit über deren Curie-Temperaturen liegt. Damit sind diese Materialien dort nicht selbst ferromagnetisch, sondern fungieren nur als elektrische Leiter.

Des Weiteren geht die Dynamotheorie davon aus, dass Bewegungen der Materie im Erdkern stattfinden. Hier sind an erster Stelle die Konvektionsströmungen zu nennen. Das sind Strömungen flüssigen Materials, das von weiter innen liegenden heißeren Bereichen des Erdkerns zu weiter außen liegenden, weniger heißen Bereichen aufsteigt und nach Abkühlung wieder in heißere Bereiche absinkt. Diese Konvektionsströmungen werden infolge der Rotationsbewegung der Erde durch die Corioliskraft abgelenkt und auf Schraubenbahnen gezwungen. Bezüglich der Corioliskraft gibt es Parallelen zur Ablenkung von Luftmassen der Erdatmosphäre, wo sie die Rotation der Hoch- und Tiefdruckgebiete und der Wirbelstürme verursacht.

Chaotische Störung des Erdmagnetfeldes. Das Außenfeld lässt sich nicht mehr als Dipolfeld beschreiben.

Die Dynamotheorie beschreibt eine Stromerzeugung durch die schraubenförmige Bewegung von elektrisch leitfähiger Materie in Form der o. g. Konvektionsströmungen. Diese haben wegen ihrer Bewegung in einem anfangs vorhandenen sehr schwachen Magnetfeld einen Induktionsstrom erzeugt, der mittels positiver Rückkopplung das schwache Magnetfeld verstärkt hat, was wiederum zu einem stärkeren Induktionsstrom führte, der wiederum das Magnetfeld verstärkte usw. bis durch einen Begrenzungseffekt ein mehr oder weniger stabiler Zustand erreicht wurde. Es wird also der für die Bildung des Erdmagnetfeldes ursächliche Strom mit Hilfe des Erdmagnetfeldes selbst erzeugt. Man spricht hier auch von einem selbsterregten Dynamo. P. H. Roberts und G. A. Glatzmaier geben für die Bewegungen im flüssigen Kern eine Geschwindigkeit von wenigen Millimetern pro Sekunde an,[14] was etwa 100 km/Jahr entspricht.

Leider gibt es kein leicht verständliches, anschauliches Modell zur Dynamotheorie, an dem der Strom- und Feldlinienverlauf bei den Bewegungen der leitfähigen Flüssigkeit nachvollzogen werden könnte. Die Dynamotheorie stützt sich jedoch auf Berechnungen und Computersimulationen, die ein gutes Abbild der Wirklichkeit ergeben – einschließlich der im Laufe der Erdgeschichte immer wieder auftretenden Umpolungen des Erdmagnetfeldes, wie sie beispielsweise am Mittelatlantischen Rücken ablesbar sind. Auch Laborexperimente mit flüssigem, strömendem Metall sind im Einklang mit der Dynamotheorie.

Zu dem Temperaturgefälle, das eine hinreichende Konvektion bewirkte, könnte die Ausfällung magnesiumhaltiger Mineralien aus dem flüssigen frühen Erdkern beigetragen haben; das Magnesium könnte bei der angenommenen Kollision der Protoerde vor etwa 4,5 Milliarden Jahren mit einem Himmelskörper von der Größe des Mars in den Kern gelangt sein.[15][16]

Neben den Konvektionsströmungen findet im Erdkern noch eine Superrotation genannte Bewegung des festen inneren Erdkerns gegenüber seiner Umgebung statt. Es werden in der Literatur sehr unterschiedliche Beträge zwischen 0,02° und 2° pro Jahr angegeben.[17] Auch die Richtung – zurzeit rotiert der innere Kern schneller als der Mantel – soll nicht immer gleich gewesen sein. Jeweils in entgegengesetzter Richtung bewegen sich an der Erdoberfläche paläomagnetisch registrierte Unregelmäßigkeiten des Feldes. Die Modelle des Geodynamos liefern das für diese Bewegungen nötige Drehmoment zwischen dem inneren Erdkern und den äußersten Schichten des äußeren Erdkerns.[18]

Labor- und Computermodelle

Modelle

Mit dem World Magnetic Model und dem International Geomagnetic Reference Field existieren zwei großflächige, d. h. die Erde vollständig abdeckende mathematische Modelle, die das Erdmagnetfeld mit hoher Genauigkeit beschreiben.

Laborexperimente

Schon seit den 1960er Jahren ist bekannt, wie man kleine Geodynamos im Labor erzeugen könnte. Schwierigkeiten bei der Umsetzung macht jedoch vor allem die starke Verkleinerung der Wirklichkeit im Labor. Es mussten also eine entsprechende Reynolds-Zahl (sie gibt die maßstabsgerecht zulässigen Veränderungen an) und entsprechende Versuchsbedingungen gefunden werden. Inzwischen haben verschiedene Experimente die Dynamotheorie grundsätzlich bestätigt.[19][20][21][22]

Simulationen

Seit 1995 werden auch numerische Computersimulationen eingesetzt, um herauszufinden, wie sich das Erdmagnetfeld in Zukunft verändern könnte, beziehungsweise was die Ursachen für historische Veränderungen waren. Die Rechenzeiten sind meistens sehr lange, so benötigte die Aufstellung eines 3D-Modells der Veränderung des Erdmagnetfeldes über einen Zeitraum von 300.000 Jahren eine Rechenzeit von über einem Jahr. Die so entstandenen Vorhersagemodelle entsprechen recht genau der tatsächlichen momentanen oder historischen Entwicklung des Magnetfeldes und stützen so die oben dargelegten Theorien, jedoch ist nicht gesichert, inwieweit sie die Verhältnisse im Erdinneren realistisch wiedergeben. So können die Simulationen noch keine dreidimensionalen Turbulenzen im Erdinneren wiedergeben, außerdem ist ihre räumliche Auflösung noch sehr gering.

2009 veröffentlichten französische Forscher ein einfaches digitales Modell des Geodynamos, das die Inversion des magnetischen Feldes der Erde erklärt[23], während auf die numerische Analyse der komplizierten Angleichungen der magnetischen Hydrodynamik, wie z. B. im Modell von Glatzmaiers und Roberts,[24] verzichtet wird.

Wirkungen

Geologie

Das Erdmagnetfeld bewirkt eine Magnetisierung von erkaltenden magmatischen Gesteinen, wenn die Curietemperatur unterschritten wird. Auch Sedimente können durch Einregelung kleinster magnetischer Partikel während ihrer Entstehung oder durch chemische Umwandlungen eine eigene remanente Magnetisierung erhalten. Keramik kann ebenfalls beim Brennen magnetisiert werden. Diese Effekte werden bei geologischen und archäologischen Prospektionen genutzt.

Orientierung von Lebewesen am Erdmagnetfeld

Einige Tiere besitzen einen Magnetsinn, so zum Beispiel Bienen, Blindmäuse, Haustauben, Zugvögel, Lachse, Meeresschildkröten, Haie und wahrscheinlich auch Wale. Sie nutzen das Erdmagnetfeld zur räumlichen Orientierung.

Auch Hunde richten sich in Phasen eines ruhigen Erdmagnetfelds beim Koten und Urinieren an diesem aus und verrichten ihr Geschäft bevorzugt in Nord-Süd-Richtung.[25]

Einige in Gewässern vorkommende mikroaerophile Bakterienarten werden durch das Erdmagnetfeld parallel zu den Feldlinien ausgerichtet. Im Inneren dieser magnetotaktischen Einzeller befinden sich Reihen von Magnetosomen, die die ferromagnetischen Minerale Magnetit oder Greigit enthalten. Die Magnetosomen wirken wie Kompassnadeln und drehen so die Bakterien parallel zu den Feldlinien des Erdmagnetfelds. Die Bakterien schwimmen in nördlichen Breiten zum magnetischen Südpol, in südlichen Breiten zum magnetischen Nordpol. Dadurch und wegen der Inklination des Magnetfelds schwimmen die Bakterien stets schräg nach unten, wo sie dicht über dem Sediment ein von ihnen bevorzugtes Milieu mit niedrigen O2-Konzentrationen vorfinden.

Abschirmung des Sonnenwindes

Das Erdmagnetfeld schirmt den Sonnenwind ab. Ergebnis sind unter anderem Polarlicht und der Van-Allen-Gürtel als erdumfassender Strahlungsgürtel.

Magnetfeld und Klima

Es wird ein Zusammenhang der globalen Mitteltemperatur mit den Variationen des Erdmagnetfeldes vermutet.[26] Manche Forscher wie Henrik Svensmark, die die menschengemachte Erderwärmung bestreiten, postulieren einen darüber hinausgehenden Zusammenhang zwischen Erdmagnetfeld und Klima, um eine andere Erklärung für die stark beschleunigte globale Erwärmung zu finden als den Menschen. Zwar lassen Experimente darauf schließen, dass es tatsächlich eine Verbindung zwischen der Einstrahlung kosmischer Strahlung und Wolkenbildung gibt. Allerdings besteht in der Forschung eine große Sicherheit, dass dieser Mechanismus zu schwach ist, um das Klima nennenswert zu beeinflussen.[27]

Änderung von Landebahnkennungen

In der internationalen Luftfahrt orientieren sich die Kennungen von Start- und Landebahnen an den Gradzahlen der Kompassrose. Das sich ändernde Erdmagnetfeld führt daher zu gelegentlichen Änderungen von Landebahnkennungen. So wurde beispielsweise die Start- und Landebahn des Flughafens London-Stansted im Jahr 2009 von „05/23“ in „04/22“ umbenannt.[28]

Literatur

  • Volker Haak, Stefan Maus, Monika Korte, Hermann Lühr: Das Erdmagnetfeld – Beobachtung und Überwachung. In: Physik in unserer Zeit. Band 34, Nr. 5, 2003, S. 218–224, ISSN 0031-9252
  • Rolf Emmermann, Volker Haak: Die Erde. In: Physik Journal. Band 1, Nr. 10, 2002, S. 29–31.
  • Ulrich R. Christensen, Andreas Tilgner: Der Geodynamo. In: Physik Journal. Band 1, Nr. 10, 2002, S. 41–47.
  • Ulrich R. Christensen, Andreas Tilgner: Power requirement of the geodynamo from ohmic losses in numerical and laboratory dynamos. In: Nature. Band 429, Nr. 6988, 13. Mai 2004, S. 169–171, ISSN 0028-0836.
  • Gary A. Glatzmaier, Peter Olson: Geheimnisvoller Geodynamo. In: Spektrum der Wissenschaft. Band 9/2005, S. 54ff.
  • Walter Kertz, Ruth Kertz, Karl-Heinz Glassmeier: Geschichte der Geophysik. (= Zur Geschichte der Wissenschaften. Band 3) Olms, Hildesheim 1999, ISBN 978-3-487-10843-8.
  • Roberto Lanza, Antonio Meloni: The Earth’s Magnetism. Springer, Berlin 2006, ISBN 3-540-27979-2.
  • Heinz Militzer, F. Weber (Hrsg.): Angewandte Geophysik. Band I–III, 1983–1987; Band I: Gravimetrie und Magnetik. Springer, Wien 1984, ISBN 3-211-81740-9.
  • Heinz Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus (Dissertation, Bern 1956) Sauerländer, Aarau 1956 (= Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, 20).

Weblinks

 Wiktionary: Erdmagnetfeld – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Geomagnetismus - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Videos

Einzelnachweise

  1. John A. Tarduno et al.: A Hadean to Paleoarchean geodynamo recorded by single zircon crystals. Science 349, 2015, S. 521–524, doi:10.1126/science.aaa9114
  2.  Thébault, E. et al.: International Geomagnetic Reference Field: the 12th generation. In: Earth, Planets and Space. 67, 2015, S. 79, doi:10.1186/s40623-015-0228-9.
  3. NOAA - National Geophysical Data Center (USA) Aktuelle Inklinationskarte des Erdmagnetfeldes (auch andere Karten verfügbar)
  4. Geomagnetism Frequently Asked Questions. National Geophysical Data Center. Abgerufen am 5. Juni 2016.
  5. Einführung in die Geophysik von C. Clauser (2016), ISBN 978-3-662-46884-5
  6. Das IGRF: Gausskoeffizienten und Beispielquellcodes
  7. [rnold Hanslmeier: Habitability and cosmic catastrophes. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-76944-6, S. 22, "The last reversal occurred 780.000 years ago and is named the Brunhes-Matuyama reversal."
  8. N.R. Nowaczyk et al.: Dynamics of the Laschamp geomagnetic excursion from Black Sea sediments. Earth and Planetary Science Letters 351–352, 2012, S. 54–69, doi:10.1016/j.epsl.2012.06.050.
  9.  Extremely rapid directional change during Matuyama-Brunhes geomagnetic polarity reversal. In: Geophysical Journal. 21. Juli 2014, doi:10.1093/gji/ggu287 (http://gji.oxfordjournals.org/content/199/2/1110).
  10. Carlo Laj et al.: Dynamics of the earth magnetic field in the 10–75 kyr period comprising the Laschamp and Mono Lake excursions: New results from the French Chaîne des Puys in a global perspective. Earth and Planetary Science Letters 387, 2014, S. 184–197, doi:10.1016/j.epsl.2013.11.031.
  11. A. De Santis et al.: Toward a possible next geomagnetic transition?. Nat. Hazards Earth Syst. Sci. 13, 2013, S. 3395–3403, doi:10.5194/nhess-13-3395-2013.
  12. Jan Dönges: Erste Anzeichen für Umkippen des Erdmagnetfelds beobachtet? Spektrum, 10. Juli 2014.
  13. How does the Earth's core generate a magnetic field? In: USGS. Archiviert vom Original am 18. Januar 2015; abgerufen am 16. Februar 2023.
  14. P. H. Roberts and G. A. Glatzmaier: Geodynamo theory and simulations, (PDF; 909 kB) Seite 1089 Abs. 1 In: Rev. Mod. Phys., Vol. 72, No. 4, October 2000, abgerufen am 23. Mai 2013
  15. http://www.nature.com/nature/journal/v536/n7616/full/nature18594.html
  16. Joseph G. O’Rourke, David J. Stevenson: Powering Earth’s dynamo with magnesium precipitation from the core. In: Nature. 529, 2016, S. 387, doi:10.1038/nature16495.
  17. P. H. Roberts and G. A. Glatzmaier: Geodynamo theory and simulations, (PDF; 909 kB) Seite 1112 Abs. 7 In: Rev. Mod. Phys., Vol. 72, No. 4, October 2000, abgerufen am 23. Mai 2013
  18. Philip W. Livermorea, Rainer Hollerbach, Andrew Jackson: Electromagnetically driven westward drift and inner-core superrotation in Earth’s core. PNAS 110, 2013, doi:10.1073/pnas.1307825110 (freier Volltext).
  19. A. Gailitis, O. Lielausis, E. Platacis, G. Gerbeth, F. Stefani: The Riga dynamo experiment. Surveys in Geophysics Bd. 24 (2003) S. 247–267.
  20. U. Müller, R. Stieglitz and S. Horanyi: A two-scale hydromagnetic dynamo experiment. Journal of Fluid Mechanics Bd. 498 (2004) S. 31–71.
  21. M. D. Nornberg: The role of MHD turbulence in magnetic self-excitation: A study of the Madison Dynamo Experiment. Doktorarbeit (2006), University of Wisconsin, USA
  22. E. J. Spence, M. D. Nornberg, R. A. Bayliss, R. D. Kendrick and C. B. Forest: Fluctuation-driven magnetic fields in the Madison Dynamo Experiment. Bull. Am. Phys. Soc. 52 (2007) 189 doi:10.1063/1.2890753; siehe auch Phys. of Plasmas 15, 055910 (2008).
  23.  François Pétrélis: Simple Mechanism for Reversals of Earth’s Magnetic Field. In: Physical Review Letters. 102, Nr. 14, 2009, doi:10.1103/physrevlett.102.144503 (https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.102.144503).
  24. Gary A. Glatzmaiers, Paul, H. Roberts: A three-dimensional self-consistent computer simulation of a geomagnetic field reversal. In: Nature. 377, 1995, S. 203, doi:10.1038/377203a0.
  25. Vlastimil Hart, Petra Nováková: Dogs are sensitive to small variations of the Earth’s magnetic field. In: Frontiers in Zoology 2013, doi:10.1186/1742-9994-10-80.
  26. Pressemeldung des Geoforschungszentrum Potsdam (Memento vom 24. April 2012 im Internet Archive)
  27. Myhre, G., D. Shindell, F.-M. Bréon, W. Collins, J. Fuglestvedt, J. Huang, D. Koch, J.-F. Lamarque, D. Lee, B. Mendoza, T. Nakajima, A. Robock, G. Stephens, T. Takemura and H. Zhang, 2013: Anthropogenic and Natural Radiative Forcing. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, S. 891.
  28. [Internetquelle: archiv-url ungültig The Earth moves for Stansted.] Flughafen London-Stansted, 6. Juli 2009, archiviert vom Original am 12. Januar 2010; abgerufen am 1. Oktober 2012 (english, Pressemitteilung).
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